Auch wenn sie kompostierbar sind, dürfen Kaffeekapseln in Deutschland nicht in die Biomülltonne. Foto: Rawf8/stock.adobe.com

Die kompostierbaren Biomülltüten, die in der Region Stuttgart nicht in die Biotonnen dürfen, haben aus wissenschaftlicher Sicht durchaus ihren Zweck. Kompostierbare Kaffeekapseln aber können nur zu Hause kompostiert werden.

Stuttgart - Den Abfallwirtschaftsbetrieben in der Region Stuttgart sind kompostierbare Biomüllbeutel in den Biotonnen ebenso ein Dorn im Auge wie kompostierbare Verpackungen und Kaffeekapseln. Der Unterschied: Während die Verpackungen weder nach der deutschen Bioabfallverordnung noch nach der Düngemittelverordnung in die Verwertung des Biomülls gelangen dürfen, sind die Bioabfallbeutel dort aufgeführt. Die dünnwandigen Tüten aus nachwachsenden Rohstoffen wie Maisstärke mit einem Rohöl-Anteil kommen grundsätzlich infrage – wenn es die örtlichen Entsorger zulassen.

In der Region Stuttgart mit der Landeshauptstadt und den Kreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sind sie nirgends gern gesehen, da sie sich in den Biogasanlagen und Kompostwerken nicht schnell genug zersetzen. Bis das technisch möglich ist, würde sie etwa der Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsbetriebs Böblingen, Wolfgang Bagin, am liebsten verbieten: „Das wäre sicherlich das Allerbeste.“ Weil in Flüssigdünger oder Kompost weniger Kunststoffreste wären.

Experte will an den Biomüll aus Städten

„Da bin ich anderer Meinung“, widerspricht Michael Kern. Er ist Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter des Witzenhausen-Instituts für Abfall, Umwelt und Energie im hessischen Witzenhausen, das auch bei Universitäten als Instanz für die Materie gilt. „Wir haben in den vergangenen 25 Jahren viele Praxisversuche mit Biomüll gemacht“, sagt Kern, „und in den meisten Anlagen waren die Tüten kein Problem.“ Selbst wenn Schnipsel übrig blieben, die mit Kompost wieder auf die Felder kämen, so seine Einschätzung, „ist das kein so großes Problem; die sind nach spätestens einem Jahr abgebaut.“

Ingenieur Kern nennt aber zwei gewichtige Argumente für die Beutel. Erstens: „Die Leute wolle es bequem haben“ – und das haben sie mit den Beuteln, die nicht so schnell durchweichen wie Zeitungspapier, das sich besser zersetzt. Daraus folgt zweitens: „Wir müssen noch mehr Bioabfall sammeln, der vor allem in den Städten große Energieressourcen bietet.“ Beispiel Phosphor: Den Nährstoff braucht jede Pflanze für ihr Wachstum, weshalb er für die Düngung zum Beispiel in Afrika massenhaft abgebaut wird. „Davon haben wir große Vorkommen in unserem Biomüll“, sagt Kern, „und das muss wieder auf den Acker.“ Biomüll habe zwar den größten Anteil an der Müllverwertung in Deutschland, aber auch den größten Anteil im nicht verwerteten Restmüll. „Wenn wir eine kompostierbare Tüte brauchen, um da voranzukommen“, fordert Kern, „dann müssen wir das im Verfahren meistern.“ Die Alternative sei, dass Biomüll im Restmüll lande, oder dass die Menschen normale Plastiktüten verwendeten. Das sei dann „ein ganz, ganz großes Problem“, sagt der Geschäftsführer.

Werbung führt in die Irre

Michael Kern weist auch daraufhin, dass alle anderen kompostierbaren Materialien wie etwa die aktuell stark beworbenen Kaffeekapseln „in der Biomüllverwertung nicht zugelassen“ sind. Sie gehörten idealerweise auf den eigenen Komposthaufen, wo sie mehr Zeit zur Zersetzung als die in Anlagen üblichen drei bis vier Wochen haben und wo die Nährstoffe des Kaffeesatzes erhalten bleiben und im Garten wieder verwendet werden können. Tatsächlich gibt es zumindest einen Hersteller, die im Fernsehen derzeit für seine kompostierbaren Kapseln wirbt und auf einer Internet-Seite dann in Ansätzen erklärt, wie man eigenen Kompost produziert. „Ansonsten gehören diese Produkte in den Restmüll“, sagt Kern – wo sie bei der Verbrennung immerhin noch Energie für die Stromgewinnung abgeben.

Dass die vielen Menschen, die keinen eigenen Kompost haben, bei dem Stichwort „kompostierbar“ an die Biotonne denken, ist für Bertram Kehres eine logische Angelegenheit. „Natürlich ist es irreführend, auf die Kompostierbarkeit abzuheben“, sagt der Geschäftsführer der Bundesgütegemeinschaft Kompost mit Sitz in Köln, die im Auftrag der Betreiber von Verwertungsanlagen über die Qualität von Kompost wacht. „Es ist generell verboten, diese Dinge in die Biotonne zu tun“, sagt Kehres, insofern gehe es lediglich um Produktplatzierung. Dass die Hersteller wissen, was sie tun, sehe man, wenn dann im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackung stehe, dass man die lokalen Vorgaben zur Abfallentsorgung prüfen solle.