Dem Musical-Spezialisten Leslie Bricusse hat der Titelsong des Bond-Klassikers „Goldfinger“ seinen Text zu verdanken. Foto: imago/Zuma Wire/Everett Collection

Leslie wer? Eher wenigen ist der Name des Texters und Komponisten Leslie Bricusse vertraut, der nun 90-jährig gestorben ist. Aber fast alle kennen seine Songs.

Stuttgart - Filmproduktionen sind Hexenküchen – und manchmal Abfolgen magischer Momente. Dann klappt alles, dann gibt jeder mehr als sein Bestes, dann verkehren sich Probleme in Glücksfälle. Es gibt aber auch die Produktionen, wo man mitten in so einem Zaubertaumel plötzlich vor einer Hürde steht. Der James-Bond-Klassiker „Goldfinger“ von 1964, für viele Fans noch immer der beste 007-Auftritt aller Zeiten, ist so ein Fall.

Wie aus einem Problem eine Stärke wird, kann man gut am Titelschurken von Goldfinger“ zeigen. Dessen Darsteller Gert Fröbe war optisch ideal, er war unter mehreren Bewerben ausgesucht worden – aber er hatte dreist geflunkert. Natürlich, hatte der Deutsche aus der Ferne ausrichten lassen, er spreche fließend Englisch. Als er am Drehort eintraf, flog auf, dass sein ganzes Englisch aus „good morning“ und „how are you“ bestand. Die Produzenten sowie der Regisseur Guy Hamilton gingen das Wagnis mit dem Mut der Verzweiflung ein – und bekamen einen grandiosen Bond-Bösewicht.

Hoppla, „Goldfinger“ ist nicht fertig

Alles lief bestens: Hauptdarsteller Sean Connery etwa war in Hochform, und der stets einfallsreiche Komponist John Barry hatte einen seiner feinsten Höhenflüge. Als er seiner Ex-Geliebten Shirley Bassey die Titelmelodie vorklimperte, war die sofort Feuer und Flamme. Vielleicht hatte die Sängerin die korrekte Vorahnung, dass dies der zentrale Hit ihrer Karriere werden sollte. Bei all der Begeisterung fiel eine kleine Hinderlichkeit vielleicht nicht gleich auf: das Lied hatte noch keinen Text. Mit den falschen Worten aber wird aus einem großen Wurf schnell eine halbe Peinlichkeit.

In dieser Mann wurde ein Mann Rat gezogen, dessen Namen in der weltweiten Bond-Fangemeinde wohl kaum jemand kennt, dessen Werk aber auch jenseits von „Goldfinger“ fast jeder schon mal gehört hat: der nun (am 19. Oktober 2021) im Alter von 90 Jahren verstorbene Komponist und Texter Leslie Bricusse. Zusammen mit seinem Partner Anthony Newley (1931-1999) lieferte der Engländer Bricusse damals Lieder für Londons Musicalbühnen. Als „Goldfinger“ gedreht wurde, war im West End gerade das Charles-Dickens-Musical „Pickwick“ ein Hit, zu dem Bricusse die Songtexte beigesteuert hatte.

Ein süßlicher Dauerbrenner

Bricusse und Newley hörten sich „Goldfinger“ an, und offensichtlich ließen sie sich nicht davon irritieren, dass der Produzent Harry Saltzman seinen Partner Albert Broccoli davon zu überzeugen versuchte, Barrys Titellied nicht zu verwenden: viel zu jazzig sei das, es werde das junge Publikum vergraulen. Bricusse und Newley bastelten einen wunderbaren Text, schlicht und mysteriös, die Vokale und Konsonanten so gesetzt, dass man sich gar nichts anderes mehr vorstellen kann als das gefährlich zischende „ch“ im „Touch“, wenn Bassey vor der Berührung durch Goldfinger warnt.

Der robusteste Dauerbrenner unter den manchmal täuschend schmissigen, oft aber feingliedrigen Kompositionen von Bricusse und Newley dürfte „The Candy Man“ sein. Ursprünglich 1971 für die erste Verfilmung von Roald Dahls irrwitzigem Kinderbuch „Willy Wonka und die Schokoladenfabrik“ geschrieben, wurde der Song wurde unter anderem der größte Hit des Mega-Entertainers Sammy Davis jr. Der mochte den „Candy Man“ anfangs gar nicht – er fand ihn „zu süßlich“ – , aber dann begriff, dass er da auf eine der Erkennungsmelodien seiner langen Karriere gestoßen war.

Oscars hat Bricusse auch gewonnen

Zumindest britischen Musicalfreunden ist Bricusse durch viele Produktionen ein Begriff. Die Welt außerhalb dieses Zirkels pfeift Bricusse-Lieder und singt Bricusse-Texte, ohne sich des Schöpfers bewusst zu sein. Die Lieder zum „Doctor Dolittle“-Film von 1967, unter anderem „Talk to the Animals“, stammt von ihm, der Text zu Barrys späterem Bond-Titelsong „You only live twice“ und Nina Simones „Feeling Good“. Mit John Williams hat Bricusse den Soundtrack für Steven Spielbergs „Hook“ geliefert, und für die Musik zu „Victor/Victoria“ von Blake Edwards hat er einen seinen beiden Oscars gewonnen (den anderen gab es für „Talk to the Animals“).

Wer also ganz generell Musicals mag, aber bislang eher die neueren Produktionen kennt, wer Bond-Fan ist, wer die große Popmusik der Frank-Sinatra-Ära mag oder sonstwie über den Rap-Tellerrand hinauslauscht, kann sich eine sehr vergnügliche Stunde mschen, wenn sie oder er etwa auf Youtube den Spuren von Leslie Bricusse nachgeht. Der Mann hat uns viel Schönes hinterlassen.