Die Kritik an den neuen Kompetenztests in Mathe reißt nicht ab, vor allem weil die Matheergebnisse mies sind. Wir haben alle Informationen rund um Kompass 4 zusammengestellt und viele Stimmen gesammelt. Eine Chronologie des Scheiterns.
Im nächsten Schuljahr kehren die Gymnasien in Baden-Württemberg zum neunjährigen Weg zum Abitur zurück. Ein Mittel, um den Zugang besser zu regulieren und zu verhindern, dass nicht noch mehr Kinder auf das Gymnasium drängen, soll die neue Grundschulempfehlung sein. Sie setzt sich aus drei Teilen zusammen: der Einschätzung der Lehrkräfte, dem Elternwillen und den neuen Kompetenztests Kompass 4. An diesen mussten im November erstmals alle Viertklässler an staatlichen Schulen verpflichtend teilnehmen. Unmittelbar danach wurden Rufe von Eltern laut, die Aufgaben seien zu schwer gewesen – insbesondere in Mathe. Mittlerweile hat auch die Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) eingeräumt: „Mit dem Test stimmt etwas nicht.“
Wir haben uns in einer Vielzahl von Artikeln mit Kompass 4 beschäftigt, haben Stimmen bei Eltern, Rektoren und der Schulverwaltung gesammelt und uns die Aufgaben angeschaut. Alles, was sie zu der Misere rund um die neuen Kompetenztests wissen müssen, finden sie hier.
Eltern bemängeln fehlende Rechtsgrundlage für die Tests
Am 19. und 20. November haben alle Viertklässler an den staatlichen Schulen im Land Kompass 4 in Mathe und Deutsch geschrieben. Gleichzeitig wurden Elternrufe laut, die Kompetenztest seien den Schülerinnen und Schülern ohne Rechtsgrundlage abverlangt worden, weil zu diesem Zeitpunkt weder das neue Gesetz noch die dazu gehörige Rechtsverordnung vorlagen. Das Kultusministerium sah das anders, die Erklärung ist in diesem Artikel nachzulesen, und ein Kommentar zum Thema steht hier. Den Privatschulen im Land war die Teilnahme an Kompass 4 in diesem Jahr freigestellt. Wie diese es in der Praxis gehandhabt haben, ist hier zu finden.
Grundschulverband berichtet von „heulenden Kindern“ und viel Frust
Rund drei Wochen nach dem Prüfungstermin meldete sich Anfang Dezember der Grundschulverband Baden-Württemberg zu Wort. Ihn hatten viele Hinweise aus der Lehrer- und der Elternschaft erreicht, dass die Matheaufgaben zu schwer gewesen seien und viele Viertklässler beim Test deutlich schlechter abgeschnitten hätten, als ihre Lehrkräfte es ihnen zugetraut hätten. Der Vorsitzende Edgar Bohn sprach in einem Artikel unserer Zeitung von „heulenden Kindern und frustrierten Lehrkräften“ sowie einem „Grundschulabitur“.
Eltern fühlen sich wie Versuchskaninchen
Auch viele Eltern in Stuttgart waren mit Kompass 4 nicht einverstanden. Sie fühlten sich wie Versuchskaninchen. Die Kompetenztests seien für Kinder, Eltern und nicht zuletzt für die Schulen Stress gewesen. Vor allem, weil es im Vorfeld kaum Informationen darüber gegeben habe und niemand wusste, was auf die Mädchen und Jungen zukommen würde. Insbesondere in Mathe seien dann die Aufgabenformate für viele fremd und die Zeit knapp gewesen. Das von unserer Redaktion eingeholte Stimmungsbild ist hier nachzulesen.
Das staatliche Schulamt beschwichtigt
Das Staatliche Schulamt Stuttgart beschwichtigte. Die Rückmeldungen der Schulen zeigten, dass die Kompass-Tests in der Landeshauptstadt „reibungslos abgelaufen“ seien, hieß es in einer Stellungnahme Anfang Dezember. In den meisten Fällen würden sich die Ergebnisse mit den bisherigen Leistungen der Schüler decken, in Mathematik habe es „Abweichungen“ gegeben. Das seien aber nur „vereinzelte Fälle“, und „nicht stuttgartweit“ aufgetreten. Wie das Staatliche Schulamt die Aufregung um Kompass 4 bewertete, steht in diesem Text.
Kultusministerin räumt Fehler ein
Nur wenige Tage später räumte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) ein, dass der Kompass-4-Mathetest gescheitert sei. Denn nachdem zehn Prozent der Tests ausgewertet waren, hatten im Fach Mathematik gerade einmal sechs Prozent der Schüler das gymnasiale Leistungsniveau erreicht. Mit acht Prozent lag der Anteil derjenigen, die mit ihren Mathekenntnissen die Anforderungen in Realschule, Gemeinschaftsschule oder Werkrealschule schaffen würden, nur wenig höher. Die Stellungnahme und die Schlussfolgerungen der Ministerin sind in diesem Beitrag nachzulesen. Ein Kommentar zum Thema steht hier.
Stuttgarter Rektorinnen und Rektoren sind empört
Als „peinlich und unglaublich“ bezeichneten Rektorinnen und Rektoren aus Stuttgart daraufhin das Kompass-4-Verfahren. Sie fordern eine Erklärung für Eltern und Lehrkräfte – und vor allem eine Lösung für die Kinder. Aktuell laste ein enormer Druck auf den Viertklässlern. Und das, obwohl diese ihre Schulzeit noch in der Coronazeit begonnen hätten. Kinder und Eltern seien mittlerweile völlig durch den Wind und die Lehrerschaft verunsichert. Kompass 4 „war völlig unnötig und sollte einkassiert werden“, sagte eine Schulleiterin. Das gesamte Stimmungsbild steht hier.
Die Opposition im Landtag zerpflückt das Schulreformpaket
Auch in der ersten Landtagsdebatte über das grün-schwarze Schulreformpaket stand Kultusministerin Theresa Schopper wegen der Misere um die Viertklässler-Tests unter Beschuss. Mit dem missglückten Kompass-Test, bei dem 86 Prozent der getesteten Viertklässler in Mathe nur Hauptschulniveau erreicht hatten, habe es die Ministerin geschafft, „einem ganzen Jahrgang von Zehnjährigen die Angst vorm Versagen zu vermitteln“, wetterte der SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei. Weitere Stimmen aus der Debatte sind in diesem Bericht zusammengestellt.
Kultusministerium veröffentlicht die Matheaufgaben
Wer sich nun selbst ein Bild von Kompass 4 machen und sein Grundschulwissen in Mathematik testen möchte, findet alle Aufgaben in diesem Text mit Bildergalerie. Dabei geht es bei Weitem nicht nur ums Rechnen, sondern auch ums Kombinieren, Begründen und um räumliches Vorstellungsvermögen. Die Zeit ist auf 45 Minuten begrenzt. Übrigens: Musterlösungen gibt es nicht, denn das Kultusministerium hat lediglich die Aufgaben zur Verfügung gestellt.