Geschafft! Kasperl und Seppel haben den Räuber Hotzenplotz dingfest gemacht. Foto: Martin Sigmund

Er ist einer der bekanntesten Bösewichte der Kinderliteratur. Nun treibt der Räuber Hotzenplotz auf der Bühne der Komödie im Marquardt sein Unwesen, herrlich gestört von Kasperl und Seppel. Unsere Bildergalerie zeigt, welche Stuttgarter Theater außerdem vor Weihnachten für Kinder spielen.

Stuttgart - Kurz vor dem ersten Advent startet die Theatersaison für Familien und erstreckt sich bis ins neue Jahr. An dieser Tradition hält auch der neue Intendant der Schauspielbühnen Axel Preuß fest und setzt auf eine bei Groß und Klein beliebte Figur: auf den Räuber Hotzenplotz. Der wurde zwar schon vor 57 Jahren ersonnen, macht aber auch auf heutige Kinder mächtig Eindruck. Mit Pfefferpistole und seinen sieben Messern ist der grobe Kerl ein wenig gruselig und seinen gewieften Gegenspielern Kasperl und Seppel dennoch unterlegen. Perfekt also, um die sogenannte Angstlust zu erzeugen, die Märchen ebenso innewohnt wie Kriminalgeschichten. Otfried Preußlers „Der Räuber Hotzenplotz“ ist beides zugleich, auch in der Theaterfassung, die vom Autor selbst stammt.

Anders als im berühmten Kinderbuch beginnt die Kasperlgeschichte auf der Komödien-Bühne mit einer Geburtstagsfeier zwischen Bäumen. So lernt das Publikum nicht nur die Großmutter kennen, sondern auch gleich Kasperl und Seppel. Die Freude ist groß, als die Enkel dem betagten Geburtstagskind eine Kaffeemühle schenken, die der Oma sogar ein Ständchen spielt. Doch die Jungs in roter Zipfelmütze und Filzhut sind mit ihrer mustergültigen Großmutter – Strickjacke, graue Lochen, Gehstock, Stützstrümpfe – nicht allein im Zauberwald. Nahezu alle Grundschüler, die bei der Premiere am Donnerstag dabei waren, erkannten auf Anhieb, wer sich da von hinten anschlich und die Ohren spitzte: „Der Räuber Hotzenplotz, der Räuber Hotzenplotz!“, rief ein Chor aus aufgeregten Kinderstimmen.

Ein Räuber wie aus dem Bilderbuch

Tatsächlich ist Andreas Klaue ein Hotzenplotz wie aus dem Bilderbuch. Herrisch, grantig, in seiner bärigen Leibesfülle und Gemächlichkeit aber auch irgendwie drollig. Er ist ein Räuber, der tut, was seine Figur verlangt: Beute machen. Warum? „Darum!“, würde Hotzenplotz ebenso lakonisch wie lautstark zur Antwort geben.

Einen eigenen Akzent zu setzen haben sich Regisseurin Grit Lukas und ihr Ausstatter Leif-Erik Heine, der mit einem wandelbaren Bühnenbild punktet, lediglich bei Seppel und Kasperl gestattet. Beide tragen Pfadfinder-Uniformen mit allerlei Abzeichen, darunter ein Atomkraft-Nein-Danke-Emblem. Dieses Bekenntnis zum zivilem Widerstand stört nicht weiter, lässt aber die archetypischen Kindertheaterfiguren des Kasperl und Seppels etwas verblassen. Und das, wo Preußler mit dem „Hotzenplotz“ doch ganz gezielt eine lustige Kasperlgeschichte vor Augen hatte und in ihr Zuflucht fand, als er mit dem düsteren „Krabat“-Stoff nicht weiterkam.

Wie gut, dass die Großmutter die Sahne für den Kuchen vergessen hat. So können Kasperl und Seppel in Richtung Milchladen abziehen und dafür sorgen, dass der Räuber die Gelegenheit zum Diebstahl der Kaffeemühle hat. Die Bestohlene fällt in Ohnmacht, und die Geschichte kann ihren gewohnten Lauf nehmen. Wie sich Diana Gantner als Großmutter das Bis-999-Zählen mit Gymnastikübungen oder dem Wienern des Bodens versüßt, das sind feine Einfälle, die bekannte Handlung mit kleinen, psychologischen Extras zu würzen.

Details schlagen Brücken ins Heute

Ob nun Wachtmeister Dimpfelmoser mit Blaulicht auf dem Helm und bayerischem Seehofer-Slang für Lacher sorgt oder ob der Umhang des Zauberers Petrosilius Zwackelmann seine Verkehrstüchtigkeit mit dem Nummernschild „S – PZ 201“ unter Beweis stellt: in der Inszenierung von Grit Lukas sind es die Details, die eine Brücke in die Gegenwart schlagen. Auch wenn zwischendurch auch mal gerappt wird (Musik: Maren Kessler und David Schwarz), ändert sie am klassischen Räuber- und Gendarm-Spiel so gut wie nichts.

Eine Akzentverschiebung gibt es am ehesten bei der Figur des Zauberers: Mit grünem Bart, femininen Allüren und wirkungslosen Zaubersprüchen rückt Marius Hubel seine Figur des Petrosilius Zwackelmann näher ans Varieté heran als an die Schwarze Magie. Unheimlich ist dieser Zauberer, der treppauf und treppab durch sein Schloss unterwegs ist, jedenfalls nicht.

Daniel Kozian hat als Kasperl sichtlich Freude an seiner Schläue und verdreht die Namenssilben der Bösewichte mit leichtem Zungenschlag. Deutlich schwerfälliger: Andreas Laufer als Seppel. Und doch verwandelt er einen Regieeinfall zum Treffer. Als er nämlich Kartoffeln schälen soll, da fragt er sich selbst, warum er aus den Knollen schon wieder Tierfiguren geschnitzt hat.

Keine Frage: Die Geschichte geht gut aus. Und wer noch immer nicht genug vom Räuber Hotzenplotz bekommt, der hat noch bis zum 23. Juni 2019 Gelegenheit, die gleichnamige Mitmachausstellung im Jungen Schloss zu besuchen. Mit dieser Initiative und Kooperation zielt das Landesmuseum im Alten Schloss ebenfalls auf die jüngste Zielgruppe und auf Familien.

Die Familientheater-Produktion für Kinder ab 5 Jahren ist bis einschließlich 6. Januar in der Komödie im Marquardt zu sehen. Kartentelefon: 22 77 00.