Friseurin mit literarischen Ambitionen: Jeanette Biedermann als Rita Foto: Jürgen Frahm

Jeanette Biedermann spielt in „Rita will’s wissen“ an der Komödie im Marquardt in Stuttgart eine Friseurin, die nach Höherem strebt.

Sie war Popsternchen und TV-Schauspielerin – jetzt will es Jeanette Biedermann in Stuttgart am Theater wissen, mimt an der Komödie im Marquardt eine Friseurin mit literarischen Ambitionen. Am Freitag feierte „Rita will’s wissen“ Premiere, ein Stück das vom Streben nach Bildung und Kultur handelt.

Biedermann ist Rita, die herein ins Zimmer des frustrierten Literaturdozenten Frank scheint. Rita lässt sich nicht abwimmeln, beißt sich fest in der Literatur und verwandelt sich in eine selbstbewusste, belesene Studentin. Zuletzt ist sie es, die ihrem Lehrer, der im Malstrom des Selbstmitleids abwärts torkelt, wieder auf die Beine hilft. Ein wenig knistern darf es natürlich auch, zwischen den beiden.

Der Brite Willy Russell verarbeitete mit diesem Stück in einer interessanten Verkehrung der Geschlechterrollen seine eigene Biografie: Er selbst stammt aus einfachen Verhältnissen, erkämpfte sich seine Ausbildung, wurde Lehrer und später Theaterautor. Eine Komödie ist „Educating Rita“, 1983 mit Michael Caine und Julie Walters verfilmt, deshalb nur an der Oberfläche – darunter schwingt großer Ernst mit, es geht um Klassenzugehörigkeit, Identität und Selbstbestimmung.

Diese Tiefe spürt man in der Inszenierung von René Heinersdorff jedoch selten – im Grunde möchte das Stück bei ihm ganz Komödie sein. Das freilich funktioniert nicht wirklich, denn lachen darf das Publikum eigentlich nur dann, wenn Ritas derbe Sprache mit der hohen Literatur kollidiert. Heinersdorff hat die Übersetzung, die Angela Kingsford Röhl schon 1980 anfertigte, bearbeitet und ihr ein wenig Dieter Bohlen beigemischt. Jeanette Biedermann tritt zuerst mit breitem Berliner Dialekt auf, rauscht in jeder neuen Szene mit einem neuen Outfit auf die Bühne (Monika Seidl kreierte die Kostüme) und bringt den armen Literaten ganz durcheinander. „Wat will der?“, berlinert sie einmal. „Entschuldigung, aber der findet mein Gehirn doch jar nicht!“ Und weshalb will eine Frau, die so von sich selbst denkt, Tschechow, Wilde, Ibsen und Blake lesen? Das Bühnenbild (René Heinersdorff und Alexander Roy) besitzt enorme Gelehrsamkeitsdynamik: Bücher bedecken die Wände, Büchern stehen in Stößen überall im Raum, die lehrbegierige Rita setzt sich auf sie, Bücher schweben unter der Decke. Das schrille Fräulein in rosa Plüsch, mit hohen Plateauschuhen und bunter Mütze, nimmt eines von Robert Musil auf: „Is det jut?“, fragt sie.

Ralf Stech in der Rolle des Frank spielt souverän mit Verzweiflung und Ironie, holt immer wieder die Whiskyflasche aus dem Geheimfach, lehnt gegen die Bücherwand. Und letztlich bereitet dieses Stück deshalb doch Freude, da beide Rollen, zur Pose gesteigert, hervorragend ausbalanciert sind.

Bis 28. Juni täglich außer montags; Tickets telefonisch unter 07 11 / 2 26 55 05 oder im Internet: www.schauspielühnen.de.