Selbst Mittelzentren wie Leonberg haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Die Gesundheitsversorgung ist eines der gravierendsten, meint unser Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski
Je größer die Stadt, desto größer die Probleme. Diese Weisheit ist nicht neu. In der Tat sind die Aufgaben und die Erwartungshaltung für und an eine Kommune, die sozialen Spannungen und zumeist auch die Kriminalität in Metropolen höher als in kleineren Gemeinwesen. Von den finanziellen Problemen ganz zu schwiegen.
Doch diese Erkenntnis gilt längst nicht mehr für alle. Während in Kleinstädten – Rutesheim mit seinen rund 10 000 Einwohnern ist ein gutes Beispiel – die Welt noch weitgehend in Ordnung ist, stellt sich in Mittelzentren die Lage durchaus komplexer da. Etwa in Leonberg. Die Krise in der Automobilbranche schlägt bei den Kommunen hart ins Kontor. Rund um den Engelberg haben sich etliche Betriebe, die direkt oder indirekt vom Autogeschäft abhängen, niedergelassen. Noch vor wenigen Jahren wollte der Bosch-Konzern Leonberg zu seiner weltweiten Hauptstadt in der Entwicklung autonomer Fahrsysteme machen.
Davon ist mittlerweile keine Rede mehr. Das Erkennungszeichen der kühnen Pläne, ein futuristisch anmutendes, terrassenförmig angelegtes Gebäude mitten in der Innenstadt, wurde zwar noch vollendet. Doch das Pendant zum optischen Zeichen der Stärke – eine Art konzerninternes Kongresszentrum – kam über das Planungsstadium nicht hinaus. Eine überdimensionale Baugrube war schon ausgehoben. Aber die ist längst wieder zugeschüttet. Spötter sprechen von einem Acker inmitten eines zentral gelegenen Industriegebiets.
Es gibt nicht nur wirtschaftliche Probleme
Immerhin: Die sich hartnäckig haltenden Gerüchte, dass sich Bosch komplett aus seinem Traditionsstandort Leonberg zurückziehen würde, haben sich bis jetzt nicht bestätigt. Eine Beruhigung ist das für die vielen Mitarbeiter, die im vergangenen Dezember direkt vor der neuen Bosch-Top-Adresse für ihre Arbeitsplätze demonstriert haben, gleichwohl nicht.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind indes nur ein Teil der großen Problempalette. Nicht minder gravierend ist die medizinische Versorgung – stationär wie auch durch niedergelassene Ärzte. Und das betrifft nicht nur die Menschen in Leonberg selbst, sondern zudem jene im vergleichsweise sorgenfreien Rutesheim. Oder Patienten aus Ditzingen, Gerlingen oder Hemmingen, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu Leonberg, aber formal in einem anderen Landkreis leben.
Letzterer Umstand dürfte den meisten gleichgültig sein, wenn es darum geht, im Notfall schnelle Hilfe zu bekommen. Dennoch machen die Kreise rund um Stuttgart ihr eigenes Ding. Roland Bernhard, der Landrat des Kreises Böblingen, schwärmt gar von der Champions-League, zu der die künftige Flugfeld-Klinik hoffentlich gehören werde.
Träume von der Champions-League
Was der Landrat außen vor lässt: Es gibt schon jetzt in direkter Nähe gleich mehrere Häuser, auf die der Vergleich aus der Welt des Fußballs zutreffen mag: sowohl in Stuttgart als auch in Tübingen. Der ursprüngliche Gedanke – die in der Tat in in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Krankenhäuser von Böblingen und Sindelfingen an einem Standort zu einen – hat mit Bernhards Mega-Plänen nichts zu tun.
Die Zahlen klingen ernüchternd: 750 Millionen Euro sind mittlerweile für die Flugfeldklinik veranschlagt. Dass bis zur – mehrfach verschobenen – Fertigstellung in drei Jahren die Milliarden-Latte gerissen sein wird, bezweifelt in Fachkreisen kaum jemand.
Damit sind wir wieder beim Problem der Mittelzentren nebst dessen Umland: Dass ein zu langer Weg zu einem größeren Krankenhaus für Patienten mitunter tödlich enden kann, spielt zumindest bei den Plänen des Landkreises Böblingen offenkundig allenfalls eine untergeordnete Rolle. Nebenan im Kreis Ludwigsburg hat man sich für einen anderen Weg entschieden: Dort wird in alle drei Krankenhäuser gleichermaßen investiert – um flächendeckend eine gute Medizinversorgung zu gewährleisten. Diese Chance wurde im Kreis Böblingen schon vor 15 Jahren vertan.