Federführend: Der CDU-Umwelt- und Energiepolitiker Paul Nemeth Foto: factum/Granville

Die Südwest-CDU legt sich für die Kommunalwahlen 2019 bei Umweltthemen ins Zeug und will der grünen Konkurrenz damit Stimmen abjagen.

Stuttgart - Baden-Württembergs CDU will in der kommunalen Umwelt- und Naturschutzpolitik stärker Flagge zeigen. „Viele Menschen haben ein geschärftes Bewusstsein für den Klimawandel, das Insektensterben oder das Müllproblem, deshalb sollten wir auch in den Gemeinden stärker darauf eingehen“, sagte der umwelt- und energiepolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Paul Nemeth, unserer Zeitung. Das Parteiprogramm für die Kommunalwahl im nächsten Jahr mache deshalb konkrete Vorschläge, wie etwa der Artenschutz verbessert werden kann, sagte Nemeth, der das Thema federführend im Landesverband bearbeitet hat. Die Südwest-CDU will das 15-seitige Wahlprogramm am 22. September auf einem Parteitag in Rust beraten und verabschieden.

Alternativen zum Wegwerfbecher

Das Umweltkapitel enthält zum Beispiel Vorschläge, wie Gemeinden der wachsenden Flut von Wegwerfbechern (sogenannten „Coffee to go“) begegnen können. „In Zusammenarbeit mit Unternehmen und Händlern wollen wir ein zusätzliches Angebot in Form eines Mehrwegbechers einführen“, heißt es in dem Entwurf. Denkbar seien auch Pfandsysteme, wie sie bereits in Freiburg erprobt werden, oder Rabattangebote für Kunden, die ihre eigenen Becher mitbringen. Ein Wegwerfbecher mit einer geschätzten Lebenszeit von 15 Minuten stehe wie kaum ein anderes Produkt für Ressourcen- und Energieverschwendung, heißt es.

Auf dem Feld des Artenschutzes schlägt die CDU vor, dass jede der rund 1000 Gemeinden im Land mindestens ein Biotop einrichtet. Damit soll ein landesweites Netz von Lebensräumen entstehen, das der Tierwelt zugleich als Wanderkorridor dient. Die Partei greift damit ein Konzept auf, das von der Sielmann Stiftung am Bodensee entwickelt und dort bereits in die Tat umgesetzt wurde. Die CDU-Landtagsfraktion hat dies bereits bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Winter propagiert und dafür bei der Landesregierung Mittel losgeeist. „Bienen- und Insektensterben bedrohen das ökologische Gleichgewicht in Baden-Württemberg“, heißt es im Programmentwurf, „deshalb ist uns der Artenschutz ein wichtiges Anliegen, wir wollen ihn stärken!“

Reflexhafte Abwehr

Solcherart Bekenntnisse hätten vor zehn Jahren im Umfeld der CDU keinesfalls ungewöhnlich geklungen. Der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger, aber auch die frühere Umweltministerin Tanja Gönner hatten das Thema Nachhaltigkeit besetzt – auch mit parteistrategischem Kalkül. Doch 2011 geriet die CDU in die Opposition, und die Folge war eine fast reflexhafte Abwehr gegen alles, was mit Naturschutz oder anderen grünen Themen zu tun hatte. Der Kampf gegen ein modernes Jagdgesetz, gegen den Nationalpark Schwarzwald oder gegen die Förderung der Biolandwirtschaft zog sich über Jahre hin.

Seit zweieinhalb Jahren regieren die Christdemokraten nun wieder mit, und das sorgt offenbar für einen anderen Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung des Themas. „Unsere Gesellschaft ist grüner geworden, wenn wir Christdemokraten da nicht mitziehen, verlieren wir viele Menschen“, sagte Umweltpolitiker Nemeth. Dass sich die Partei auf diesem Feld neu ausrichtet, hat sich bereits vor zwei Jahren beim Nationalpark angedeutet: Kein Bürgermeister in der Schwarzwaldregion möchte das Schutzgebiet heute missen, denn es ist ein idealer Werbeträger. Ökologie, das hat die CDU erkannt, ist aber auch ein Teil des Lebensgefühls. Regionale Wertschöpfung, gesunde Lebensmittel und eine intakte Natur seien Werte, die viele Menschen im wohlhabenden Südwesten hoch halten, sagt Nemeth: „Dazu muss man kein Grünen-Anhänger sein.“

Ökonomie plus Ökologie

Ohnehin versucht die CDU, das Thema anders zu intonieren als die Konkurrenz: „Unser Motto lautet Schützen durch nützen, wir gehen pragmatischer heran“, sagt Nemeth. Im Wahlprogramm ist denn auch immer wieder von Partnerschaft zwischen Ökologie und Ökonomie die Rede und von einer „verantwortungsvollen Gestaltung des Natur- und Umweltschutzes“. Soll heißen: Bitte nicht auf Kosten der Wirtschaft. Grüner als die Grünen wollen die Christdemokraten also nicht werden. Doch der Koalitionspartner muss sich immerhin auf Konkurrenz einstellen.