Wer einem Bezirk ehrenamtlich vorsteht, richtet sich nach den Mehrheitsverhältnissen im Stuttgarter Gemeinderat. Foto: dpa

Das Ergebnis der Kommunalwahl ist gleichzeitig die Grundlage für die Besetzung der Bezirksvorsteherposten. Bereits jetzt steht wohl fest, dass die Grünen nach der Kommunalwahl einen Posten abgeben müssen.

Unabhängig davon, wie die Kommunalwahl endet: Die Grünen werden wohl ein Amt verlieren, nämlich einen der Bezirksvorsteher in der Innenstadt. Die Posten werden gemäß dem Wahlergebnis besetzt. Drei von fünf stehen derzeit den Grünen zu. Namentlich sind Veronika Kienzle in der Mitte, Reinhard Möhrle im Westen und Rupert Kellermann im Süden im Amt.

Damit es so bleibt, müsste die Öko-Partei ihr Ergebnis aus 2009 noch verbessern. Und das war für sie bereits ein Rekordergebnis. Der Grund für den absehbaren Amtsverlust ist eine Änderung im Wahlrecht. Bisher wurden die Stimmen nach d’Hondt in Mandate umgerechnet. Weil das Verfahren Wahlgewinner bevorteilt und kleine Parteien benachteiligt, wechselte die Landesregierung zu Sainte-Laguë/Schepers. Nach diesem Rechenverfahren hätten die Grünen schon heute einen Bezirksvorsteher weniger.

In den äußeren Stadtbezirken sind die Bezirksvorsteher Beamte, in den inneren hingegen Ehrenamtler; auch wenn dieses Ehrenamt mit immerhin 1200 Euro monatlich vergütet wird – so viel, wie ein Stadtrat bekommt. Nach jeder Kommunalwahl werden die Posten neu auf die Parteien verteilt. Dafür ist aber nicht das Gesamtergebnis ausschlaggebend, sondern nur das für die inneren Bezirke. Die Debatten über die Besetzung gleichen häufig einem Postenschacher. 2009 währten sie fünf Monate. Angesichts aller Vorschläge und Gegenvorschläge liebäugelte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Schuster sogar mit dem Plan, die Amtsinhaber fünf Jahre lang provisorisch im Amt zu lassen.

Stuttgart-Ost

Der Stadtbezirk Stuttgart-Ost hat in den vergangenen viereinhalb Jahren in der Stadt immer wieder für Gesprächsstoff gesorgt – durch die Villa Berg, durch die Umgestaltung des Schwanenplatzes mit dem benachbarten Mineralbad Berg, durch neue Formen der Einbindung der Einwohner des Stadtbezirks in den politischen Entscheidungsfindungsprozess, durch Forderungen nach mehr Einflussmöglichkeiten der Bezirksbeiräte.

Maßgeblichen Anteil daran hatte der Bezirksvorsteher Martin Körner. Der war schon bei seinem Amtsantritt ein Politikprofi, war eine Zeit lang der Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, ist aktuell in Teilzeit Parlamentarischer Berater im Landtag von Baden-Württemberg – und er nutzte seine Elternzeit, um mehr Zeit für den Osten zu haben. Das hat dem Stadtbezirk gut getan, darin sind sich auch politische Gegner einig. Gleichzeitig konnte sich Körner so profilieren.

Die Konsequenz: Er ist bei der bevorstehenden Kommunalwahl der Spitzenkandidat der SPD. Auch wenn er in Gesprächen immer darauf verweist, dass erst einmal gewählt werden müsse – es müsste schon viel passieren, sollte er im neuen Gemeinderat nicht der Vorsitzende der neuen SPD-Fraktion werden. Das wiederum bedeutet, dass der Stuttgarter Osten schon wieder einen neuen Bezirksvorsteher braucht.

Bereits jetzt ist im Stadtbezirk das Bedauern über den aller Voraussicht nach bevorstehenden Abschied von Körner groß. „So einen bekommen wir so schnell nicht wieder“, heißt es allenthalben. Über mögliche Nachfolger kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Natürlich werden die Sozialdemokraten alles daran setzen, auch künftig den Bezirksvorsteher in „ihrem“ gar nicht mehr so „roten Osten“ zu stellen. Bleibt die Frage, ob sie über eine geeignete Kandidatin oder einen Kandidaten verfügen. Außerdem muss man auf das Wahlergebnis schauen. Vor fünf Jahren erhielten die Grünen im Osten mit 28,3 Prozent die meisten Stimmen, gefolgt von der CDU (23,4 Prozent), die bis dahin den Bezirksvorsteher stellte, und der SPD (16,2 Prozent). Die CDU im Osten hatte in der Folge einige Zeit gebraucht, bis sie sich von dem damit verbundenen Machtverlust erholte. Aber auch aus den Reihen der Christdemokraten drängt sich zum jetzigen Zeitpunkt kein Kandidat für das Bezirksvorsteheramt in Stuttgart-Ost zwingend auf.

Stuttgart-Nord

Andrea Krueger ist seit 2004, also nun seit zehn Jahren, Bezirksvorsteherin in Stuttgart-Nord – dem Bezirk, in dem sie auch selbst lebt. Anzeichen dafür, dass sie dieses Amt aufgeben will, gibt es bisher keine – im vergangenen Dezember sagte sie im Gespräch mit dieser Zeitung, es sei wichtig, sich dort einzubringen, wo man lebe, und „etwas zurückzugeben“. Sie weiß, was in Stuttgart-Nord passiert: Sie kennt die Baustellen, die Großprojekte, die Probleme. Die Christdemokratin vereinbart, wie ihre Kollegen aus den anderen Innenstadtbezirken, ihren Beruf – Krueger ist Finanzwirtin – und ihre Stelle im Finanzministerium Baden-Württemberg mit dem Ehrenamt als Bezirksvorsteherin. Stefan Kaufmann, der Kreisvorsitzende der CDU Stuttgart, geht davon aus, dass Krueger weiterhin im Norden tätig sein möchte. „Mir sind keine Änderungswünsche bekannt“, sagt er. „Und ich würde mich freuen, wenn sie den Bezirksvorsteherposten weiter ausübt.“

Stuttgart-Mitte

An Selbstbewusstsein mangelt es Veronika Kienzle grundsätzlich nicht, auch nicht in dieser Frage: „Wenn die Bürger die Bezirksvorsteher direkt wählen dürften, hätte ich gute Chancen“, sagt die Bezirksvorsteherin der Stadtmitte. Am Bekanntheitsgrad würde sie jedenfalls nicht scheitern. Wenn Kienzle beim Kaffee auf dem Wilhelmsplatz sitzt, vergehen selten mehr als zwei Minuten, ohne dass sie irgendjemand grüßt, der zufällig vorbeischlendert. Bekannt ist sie im Stadtzentrum, beliebt allerdings nicht bei jedem. Einem Parfum gleich umhüllt sie der Geruch der Frau für Sauberkeit und Ordnung, der „Law-and-order-Frau“, so sagt sie es ebenfalls selbst. Passend dazu hat sie vorhin beim Wirt beklagt, dass zwischen all den Tischen der Platz fehlt, ihr Fahrrad zu abzustellen.

Seit zehn Jahren eckt Kienzle an in ihrem Amt und in den Ämtern des Rathauses, immer im Bemühen, das Leben in der Stadtmitte zum Besseren zu verändern. Das sagt sie nicht selbst, aber auch niemand, der über die Sauberfrau mit dem Rad und dem Eifer spottet, wird ihr das Engagement absprechen. Kienzle kümmert sich um jedermanns und jederfraus Sorgen, gleich, ob die Not so klein scheinen mag wie ein auszufüllendes Formular, oder so groß, dass sie nur im Landtag gelindert werden könnte oder gleich im Bundestag.

Derart engagiert betrieben, ist das Ehrenamt in der Stadtmitte „eigentlich ein Hauptamt“, sagt Kienzle. Weshalb sie ihre berufliche Arbeitszeit gekürzt und darüber nachgedacht hat, den Posten der Bezirksvorsteherin nach der Wahl freiwillig zu räumen. Entschieden hat sie letztlich anders: „Ich wäre bereit“ – für eine dritte Amtszeit. Der politischen Arbeit auf der untersten Ebene würde die Wiederwahl einer erfahrenen Amtsinhaberin zweifelsfrei nutzen, unabhängig von Person und Namen, denn eine ganze Reihe altgedienter Bezirksbeiräte will abdanken – völlig unabhängig vom Wahlergebnis.

Stuttgart-West

Der Westen ist nach der Einwohnerzahl der größte Innenstadtbezirk Stuttgarts. Reinhard Möhrle, seit fast zehn Jahren Bezirksvorsteher im Westen, wünscht sich, dass er das Amt auch die nächsten fünf Jahre ausführen kann. „Jawohl, ich würde es noch einmal machen“, antwortet er spontan. Seinen Erfahrungen nach dauert es nämlich eine ganze Weile, bis man ein richtiger Ansprechpartner für die Verwaltung und die Bürger wird.

Der Westen habe immer den höchsten Anteil an Stimmen für die Grünen, so Möhrle. Deshalb schätzt er seine Chancen gut ein. Auch wenn wegen der Änderung im Wahlrecht bei gleicher Stimmenanzahl nur noch zwei und nicht wie derzeit drei der Bezirksvorsteher von den Grünen kommen sollen. Möhrle findet, dass die Bezirksvorsteher unabhängig vom Ausgang einer Wahl festgelegt werden sollten. „Wenn einer den Bezirk gut geleitet hat, dann sollte er das weitermachen“, sagt er. Parteigrenzen waren für ihn bei den Entscheidungen im Bezirksbeirat nicht so wichtig. Stattdessen sagt er: „Mir war es wichtig alle einzubinden. Und genau deshalb haben wir so viel erreicht.“

Seit vier Jahren arbeitet er nur noch in Teilzeit als Sozialpädagoge. Die Arbeit als Bezirksvorsteher sei mindestens ein 50-Prozent-Job, so Möhrle. Gerne würde er die angefangenen Projekte weiter betreuen. Gefragt nach den Wichtigsten, hört er kaum auf zu reden: Die Umgestaltung des Feuersees, S 28, die Bebauung des Olgäle-Areals, die Verlegung der Jugendverkehrsschule, die Wiederherstellung der Allee an der Johannesstraße und so fort. Außerdem müssen die Überlegungen für den nächsten Haushalt beginnen. Reinhard Möhrle denkt nicht daran, aufzuhören.

Stuttgart-Süd

Rupert Kellermann bleibt – unabhängig davon wie die Wahl ausgeht – auf jeden Fall noch bis Oktober als Bezirksvorsteher im Amt. „Ich habe noch ein bisschen Luft“, sagt er. Im Hinblick auf die Wahlen rechne er mit gar nichts. Jeder Bezirksvorsteher sei für fünf Jahre gewählt, das wisse man im Voraus. „Ich würde aber trotzdem gerne weitermachen. Ich bin nicht fertig geworden“, findet er selbst. Vor allem das große Projekt um die Entwicklung des Areals am Generationenhaus mit neuem Jugendhaus und Stadtteilbücherei möchte Rupert Kellermann gerne noch zu einem Ende bringen. Allerdings räumt er auch ein: „Auf dem Weg ist man ja immer.“

Zu seinen eigenen Chancen möchte er nichts sagen, außer: „Mir gefällt es im Süden. Es hat Spaß gemacht die vergangenen Jahre.“ Auch wenn Bezirksvorsteher zu sein oft bedeute, eine Sieben-Tage-Woche zu haben. „Nebenher muss man ja auch noch etwas Geld verdienen“, fügt er hinzu. Davon will er sich aber nicht abschrecken lassen. Denn nach der Rückmeldung, die er bekomme, tue er dem Bezirk gut. Von Bürgern aus dem Bezirk und auch den Bezirksbeiräten wird Kellermann gerne als Allzweckwaffe bezeichnet. Er gilt als Mann der Tat, der einfach dann anpackt, wenn etwas ansteht, und dies auf eine bodenständige und unprätentiöse Art.

Zudem kennt er sich im Süden oft aus wie kein anderer. Seit mehr als 20 Jahren sei er ehrenamtlich im Stadtbezirk unterwegs. Deshalb kann er sich nicht vorstellen, aufzuhören, dort aktiv zu sein. „Irgendeine Plattform findet man immer“, ist seine Meinung. Das Amt des Bezirksvorstehers sei jedoch eine gute Möglichkeit sich zu engagieren. Sollte er das Amt nicht mehr bekleiden, will der 55-Jährige aber keinesfalls in Rente gehen. „Ich kann auch nicht versprechen, dass ich mit 65 hier keinen Unfug mehr treibe“, kündigt er an.