Tim Klotz geht noch zur Schule, aber er will Politik für Dagersheim machen. Foto: /Stefanie Schlecht

Der 16-jährige Tim Klotz aus Dagersheim hat es bei der Wahl am 9. Juni in den Ortschaftsrat des Böblinger Teilorts geschafft. Damit ist er das jüngste Mitglied. Er erzählt, was ihn bewegt.

Mit seinen gerade einmal 16 Jahren hat der Schüler Tim Klotz aus Dagersheim gleich doppelt Geschichte für den Flecken geschrieben: Er ist das jüngste Mitglied, das je in den Ortschaftsrat gewählt wurde, und mit ihm ist die FDP erstmals in das Gremium eingezogen. Möglich gemacht hat das eine Änderung des passiven Wahlrechts.

 

Obwohl er nach dem Wahlerfolg am 9. Juni seine erste Sitzung als Ortschaftsrat noch vor sich hat, ist die Welt der Kommunalpolitik für den 16-Jährigen nicht neu. „Ich gehe schon länger zu fast allen Sitzungen des Ortschaftsrats und des Böblinger Gemeinderats“, sagt er. Zudem hat er sich mit 14 Jahren in den Jugendgemeinderat wählen lassen. „Meine Schwester hatte mir damals ein Flugblatt für den Jugendgemeinderat gegeben und mich ermuntert, mich aufstellen zu lassen“, sagt er. „Vorher habe ich davon noch gar nichts gewusst.“

Seine Themen: Klima, Verkehr, Gesundheit und Verteidigung

Sich in die Politik einbringen, das ist für den Schüler mittlerweile seit vier Jahren ein Wunsch. „Angefangen hat es eigentlich mit Corona“, sagt er. „Da war man ja immer zuhause und ich habe angefangen, regelmäßig die Tagesschau zu gucken und die aktuellen Regelungen zu verfolgen.“ Damals war er zwölf Jahre alt. Doch es habe ihn interessiert, wie die Bundesregierung während der Pandemie die Grundrechte habe einschränken können. Im vorigen Jahr habe er dann bei Marc Biadacz (CDU) im Bundestag und Hans-Dieter Scheerer (FDP) im Landtag Praktika gemacht. Das habe ihn noch in seiner Entschlossenheit bestärkt, Politik machen zu wollen.

Jetzt wird Tim Klotz also in knapp drei Wochen das erste Mal mit seinen neu gewählten Kolleginnen und Kollegen im Sitzungssaal des Bezirksamts Dagersheim sitzen, um über die Geschicke des Teilorts zu entscheiden. Aber was für Themen sind ihm wichtig? „Grundsätzlich finde ich alle politischen Themen interessant, denn sie sind ja auch alle relevant“, sagt der Schüler. Es sei außerdem wichtig, sich zu allen Dingen eine Meinung zu bilden. Vorlieben hat er natürlich trotzdem. Dazu gehören neben dem Thema Umweltschutz, das seiner Ansicht nach wohl alle Gleichaltrigen bewege, auch die Gesundheits- und Verkehrspolitik sowie – durch die aktuellen Kriege in der Ukraine und in Nahost bedingt – auch die Verteidigungspolitik.

Tim Klotz lockte die Herausforderung

Eine breite Palette an Themen, die grundsätzlich sicher zu vielen Parteiprogrammen gepasst hätten. Warum hat Tim Klotz sich also für die FDP entschieden? „Nachdem das Wahlrecht geändert wurde, bin ich tatsächlich von mehreren Parteien gefragt worden, ob ich auf ihre Liste möchte“, sagt er. Letztlich habe er aber den Freien Demokraten zugesagt, „da viele Themen einfach gut gepasst haben“. Zudem habe er es als Herausforderung gesehen, als Spitzenkandidat auf der ersten Liste zu stehen, die die FDP jemals in Dagersheim aufgestellt hat. „Ich glaube aber, auf kommunaler Ebene haben viele der Parteien ähnliche Meinungen. Man will einfach das Beste für die Kommune“, ist er sich sicher. Trotzdem seien die Reaktionen auf seine Kandidatur für die FDP nicht durchweg positiv ausgefallen. „In der Klasse kam es zwar zum Großteil gut an, aber die Partei war für einige nicht die richtige“, sagt er. Dennoch, so der Schüler, hätten viele Gleichaltrige ihm seine Unterstützung zugesichert.

„Demokratie braucht alle Stimmen“

Dass Tim Klotz sich für eine Kandidatur für den Dagersheimer Ortschafts- und nicht für den Böblinger Gemeinderat entschieden hat, hat vor allem zeitliche Gründe. „Ich habe gemerkt, wie lang die Sitzungen des Gemeinderats gehen. Und dann kommen da ja noch die Ausschüsse dazu“, sagt er. „Wenn ich aufs Abitur zugehe, dann hätte ich nicht mehr genug Zeit, um allem gerecht zu werden. Man hat ja auch eine Verantwortung dem Wähler gegenüber“, sagt er, ganz Politikprofi. Mit dem zeitlichen Einsatz, den er für den Ortschaftsrat wird erbringen müssen, sei er hingegen zufrieden. „Ich habe dienstags lange Schule, danach kann ich kurz zu Hause essen und dann schaffe ich es gerade pünktlich“, sagt er.

Mit Tim Klotz zieht die Perspektive der Jugend in ein Gremium ein, das sonst eher aus älteren Semestern besteht. „Demokratie braucht alle Stimmen“, sagt er. Eben auch die der Jugendlichen. „Wir können zum Beispiel eher von der Seite des Schulsystems auf die aktuelle Lage gucken. Wir wollen zum Beispiel die schnelle Digitalisierung der Schulen. Das Thema betrifft uns konkreter als jemanden, der seit 40 Jahren nichts mit Schule zu tun hatte.“ Er freue sich auf die Zusammenarbeit, schließlich kenne er die anderen Mitglieder des Ortschaftsrats alle schon lange persönlich.

Auch neben der Politik beschäftigt

Wenn Tim Klotz sich nicht mit Politik befasst, findet man ihn am Klavier oder auf dem elterlichen Hof. Dort helfe er gerne aus. „Ich habe gerade meinen Traktorführerschein gemacht“, sagt er. Klavier spiele er seit mehr als zehn Jahren und er lasse sich gerade in der Kirche zum Organisten ausbilden.

Für die Zeit nach dem Abitur hat er mehrere mögliche Studienrichtungen von Jura über Wirtschaftswissenschaften bis zu Luft- und Raumfahrttechnik im Auge. Nur eins ist ihm klar: „Ich möchte auf jeden Fall in der Region bleiben“, sagt er. „Dagersheim ist meine Heimat.“

Die Jugend in der Kommunalpolitik

Wahlrecht
In diesem Jahr ist in Deutschland das passive Wahlrecht geändert worden. Schon ab 16 Jahren dürfen Jugendliche nicht nur wählen, sondern auch gewählt werden. Der Super-Wahlsonntag am 9. Juni war somit eine Premiere.

Kreis Böblingen
Tim Klotz ist nicht der einzige Teenager im Kreis, der es in ein Gremium geschafft hat. Einige Jugendliche sind in die Gemeinderäte von Großen Kreisstädten gewählt worden, darunter Fynn Rubehn (Grüne) in Herrenberg und Lukas Voigt (Grüne) in Sindelfingen. 

Lukas Voigt
Der 17-jährige Lukas Voigt ist wohl der jüngste Stadtrat, den Sindelfingen je gehabt hat. Seit 2021 interessiert er sich für Politik und demokratische Mitbestimmung. Im Landesschülerbeirat hat er schon Erfahrungen gesammelt. Für die Grünen hat sich Voigt entschieden, weil die „auch über die Kommunalebene hinaus die für junge Menschen sinnvollste Partei“ seien. „Parkplätze bringen uns Menschen nichts, wenn sie bis zum Knie mit Wasser überflutet sind“, sagt er.