Der FDP-Spitzenkandidat im Gespräch mit Wählern Foto: Peter Petsch

Die FDP hat in Baden-Württemberg ihr Stammland und trotzdem auch hier bei Wahlen Federn lassen müssen. Die neue Riege der Gemeinderatsfraktion will das ändern. Sach- statt Blockpolitik lautet das Motto. Doch nicht jeder Wähler glaubt an eine CDU-unabhängige FDP.

Stuttgart - In Freys Eckladen in der Karlsbader Straße 6 geht es zu wie im Taubenschlag. Lottospieler und Zeitungskäufer schneien herein, andere wollen Zigaretten, ein Herr ordert einen Formularblock und zwei Zigarillos. Bernd Klingler, der FDP-Kandidat mit Listenplatz Nummer 1, lässt die Leute ihren Einkauf machen. Aber wenn sie bezahlt haben, gibt es kein Halten mehr. „Darf ich Ihnen einen Kuli schenken oder ein Feuerzeug?“, fragt er, stellt sich vor und sagt: „Mir send die, die do send.“

Nicht alle nehmen sich Zeit, manche noch nicht mal die kleinen Geschenke. Klingler (46), im Erwerbsleben als selbstständiger Werbeberater tätig, nimmt das niemandem krumm. „Darf ich Ihnen wenigstens einen schönen Tag wünschen“, kontert er und erntet dann doch noch einen Lacher.

Im Tabak-, Zeitungs- und Schreibwarenladen der beiden Herren Karl-Heinz Herrmann und Freddy Heid scheint es nur ein Thema zu geben, das den Leuten unter den Nägeln brennt. Ob betagt oder jung, ob Frau oder Mann – der Radweg entlang der Waiblinger Straße lässt bei den meisten die Galle hochkommen: „Der Radweg ist richtig assi“, sagt eine 41-Jährige. Jeden Tag würden seither Autofahrer einen Ausweg aus dem Stau suchen, „und zwar über unser Wohngebiet“.

Auch Frau Lang, Stammkundin wie die meisten, sieht keinen Sinn in der Extraspur für Radler. „Ich fahre auch Rad, aber damit wurden nur Ideologien durchgepaukt“, sagt sie. Sagt’s, schwingt sich auf ihr Rad und fährt davon. Dieser Vorwurf macht das Feld für Klingler zum g’mähten Wiesle. Seine Fraktion konnte sich nicht gegen die öko-soziale Mehrheit im Gemeinderat und den Bau des Radwegs durchsetzen. „Wir müssen noch viel mehr gucken, dass wir weniger Geld für Unsinn ausgeben“, sagt er den geneigten Zuhörern.

Mit Roland Treuz (74) findet er einen, der sich Zeit für die Politdiskussion im Eckladen nimmt. Pensionierter Lokführer sei er und, was das Projekt Stuttgart 21 angeht, „am Anfang skeptisch gewesen“. Nur liege jetzt eben ein Bürgerentscheid vor und außerdem der Erfahrungsschatz der hessischen Metropole Frankfurt: „Seit die den Bahnhof am Flughafen haben, gewinnt die Bahn mit jedem Flugausfall Fahrgäste“, sagt Treuz, „nur mit den Kosten ist das halt so eine Sache, mir sind solide Finanzierungen wichtig.“ Dass SÖS/Linke immer noch Widerstand gegen das Projekt leistet, reduziert Klingler auf die klare Essenz: „Der Rockenbauch will damit halt Stimmen gewinnen.“

Auch wenn darüber kein vollständiges Einverständnis erzielt wird – Roland Treuz wünscht dem FDP-Kandidaten viel Erfolg bei der Kommunalwahl, der flugs darauf hinweist, dass die Wahl ja schließlich eine Personenwahl sei; auch ihm könnten drei Stimmen gegeben werden, unabhängig von der eigenen parteipolitischen Couleur. Das verfängt. Trauz fragt schließlich: „Wie viele Stimmen brauchen Sie?“

Auch dem älteren Herrn, der sich über die schlechte Erreichbarkeit des Krankenhauses Bad Cannstatt ärgert, gibt Klingler seinen Drei-Stimmen-Tipp mit und verspricht: „Dann haben Sie jemanden gewählt, der sich wirklich einsetzt.“

Dem Herrn im grünen Polohemd hört er aufmerksam zu. Robert Dreher ist in seiner Freizeit Musiker. Er und seine Bandkollegen würden sich gern in einer Kita einbringen, was die Stadt jedoch nicht fördere. Hier kann Klingler wieder sein Mantra anbringen: „Da ist die Verwaltung zu restriktiv und zu wenig auf die Bedürfnisse des Stadtteils ausgerichtet.“

Ein weiterer Kunde verweist auf die Vormacht der CDU, gegen die sich keine andere Politik durchsetzen lasse. Da ist es wieder, das alte Blockdenken, und damit ein neuer Köder für Klingler. Der beteuert: „Mit einer starken FDP kann ich schon was bewegen.“

Nur bei dem Herrn im Wildlederjanker beißt Klingler auf Granit. „Ich bin hier Betreuungsstadtrat der FDP“, sagt Klingler. „Da sind Sie selber schuld“, antwortet der Herr und rubbelt sein Los auf. „Nix gewonnen?“, fragt Klingler. Der Mann antwortet: „Doch. Erfahrung.“