Der FDP-Politiker Matthias Oechsner (rechts) und Luigi Pantisano (SÖS) diskutieren über Wohnen in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Stuttgarter Verein Unsere Zukunft hat für die Kommunalwahl 2019 einen digitalen Wahlhelfer entwickelt. Zusätzlich bietet der Verein für Bürgerinnen und Bürger 30 Veranstaltungen an 30 Tagen an, um mit den Stuttgarter Kandidaten in Kontakt zu kommen.

Stuttgart - Der Verein Unsere Zukunft will den Stuttgarter Wählern die Kandidaten für den Gemeinderat näher bringen. Der Vorsitzende Steffen Schuldis hat dazu mit seinem Team eine App und ein Programm entwickelt – 30 Veranstaltungen an 30 Tagen. Zum Auftakt hat der Verein acht Kandidaten zu einer Runde Glücksrad auf den Marienplatz eingeladen.

Das Glücksrad gibt das Thema vor

Alexander Kotz (CDU), Christoph Ozasek (Die Linke), Luigi Pantisano (SÖS), Matthias Oechsner (FDP), Michael Jantzer (SPD), Christine Lehmann (Die Grüne), Julian Knoth (Die Stadtisten) sowie Dennis Elsner (Die Partei) haben dort ihr Glück versucht. 13 Themen, wie Wohnen, Verkehr oder Schulen, stehen auf dem Glücksrad zur Auswahl. Jeder Kandidat darf einmal drehen und ein zweiminütiges Statement zum Thema abgeben. Im Anschluss kommentiert ein Gegenkandidat die Rede. Zu gewinnen gibt es natürlich keine Haushalts- oder Gebrauchsgegenstände wie bei der Originalsendung im Fernsehen – aber vielleicht eben ein Sitz im Stuttgarter Gemeinderat.

Bei Luigi Pantisano bleibt der Zeiger bei Wohnen stehen. Sein Statement: Er setzt auf eine starke Nachverdichtung in der Innenstadt. Auf keinen Fall unterstützt er das Bauen auf der grünen Wiese. Konträr ist die Ansicht seines Gegenkandidaten Matthias Oechsner: „Quadratisch, praktisch gut und bloß net höher als der Tagblattturm.“ So baue man in Stuttgart. Allein dichteres Bauen in der Stadt löse die Wohnungsnot nicht, betont Oechsner. Es brauche neue Flächen.

930 Kandidaten auf 20 Listen – der Verein bietet Wahlhilfe an

930 Kandidaten auf 20 Listen stehen bei der Kommunalwahl am Sonntag, 26. Mai, auf den Wahlzetteln. Wer sind die Kandidaten? Wofür stehen sie? Zusätzlich zu den Veranstaltungen hat Schuldis mit seinem ehrenamtlichen Team die Website „Komunat“ entwickelt, um vor allem junge Wähler zu mobilisieren.

Der Hospitalhof und auch die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) unterstützen das Komunat-Projekt. „Demokratiebildung ist für uns wichtig, deshalb gehen wir das Experiment mit“, sagt Vatan Ukaj, der bei der LpB als Fachreferent für das Projekt „ Erstwählerkampagne“ zuständig ist.

Projekt aus Überzeugung zur Demokratie

Innerhalb von zwei Monaten haben Schuldis und seine Kollegin Tomma Profke mit einem durchweg ehrenamtlich engagierten Team zusätzlich die Website „Komunat“ entwickelt. „Unser Ziel ist es, junge Menschen für Politik zu begeistern“, sagte der 32-jährige Schuldis. Den Verein hat Schuldis bereits vor einigen Jahren gegründet. Zeitlich ist das für ihn oft quasi noch einmal eine Vollzeitstelle. Aber die Motivation ist für ihn simpel: „Wir sind überzeugte Demokraten. Wir lieben Demokratie“, sagt Schuldis dazu schlicht bei der Vorstellung des Programms im Hospitalhof.

Schuldis arbeitet bei Daimler und hat bereits parteilos für den Bundestag kandidiert. Gemeinsam mit Tomma Profke, 35, organisiert er seit längerem politische Veranstaltungen in Stuttgart, um die Demokratie zu fördern wie zum Beispiel die Veranstaltung wie die öffentliche Diskussionsrunde „Speaker’s Corner“ auf dem Marienplatz. „Wir wollen junge Leute für Politik begeistern“, sagt Schuldis.

Die Kombination aus Online- und Offline-Angebot soll junge Wähler mobilisieren

Auf der Internetseite www.komunat.de kann der Nutzer zunächst Fragen zu politischen Werten und Traditionen beantworten. Ist Rechtsstaatlichkeit wichtiger oder Toleranz? Ist eine klimaneutrale Stadt wichtiger oder Schulsanierung? Daraus erstellt die App ein Ranking und gleicht die Interessen des Wählers mit denen der Kandidaten ab. Dann werden dem Nutzer die 20 passendsten Kandidaten vorgeschlagen. Der Nutzer kann das Ergebnis als PDF-Datei herunterladen und mit in die Wahlkabine nehmen.

Werte und Themen habe man in Abstimmung mit den Parteien ausgewählt, die im Stuttgarter Gemeinderat vertreten sind, sagte Schuldis. Die Wahlhilfe ziele ab auf die, die wählen wollen, aber eine Hürde sehen, sich mit dem Prozess auseinanderzusetzen, sagte Schuldis. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Tomma Profke, sagte, viele wüssten gar nicht, dass sie wählen dürfen. „Wenn sie nur lernen, dass es eine Wahl gibt, wäre das schon ein Anfang.“

Kandidaten in der Kneipe kennenlernen

Schuldis ist deshalb überzeugt, dass die Kombination aus Online- und Offline-Information ideal ist. „Wenn man seine persönliche Liste erstellt hat, kann man bei den Veranstaltungen gezielt mit den Kandidaten sprechen“, sagt er. So gibt es eine Reihe von „Speed-Dating“-Veranstaltungen in den kommenden Wochen, bei denen man Kandidaten treffen kann – zum Beispiel auf auf den Stäffele oder in der Kneipe.

Hilfreich ist das bei recht unbekannten Kandidaten. Julian Knoth (Die Stadtisten) kennen viele vielleicht von seiner Band „Die Nerven“, wenige aber als Kandidaten. Beim Glücksrad auf dem Marienplatz erfahren die Besucher zum Beispiel, dass Knoth am liebsten den Cannstatter Wasen abschaffen würde. Den freien Platz würde er für Sozialwohnungen nutzen, sagt er.