An der Gestaltung des Göppinger „Platzes der Vielfalt“ haben Jugendliche mitgewirkt. Foto: Staufenpress

Junge Menschen in Göppingen nehmen Kommunalpolitik laut einer Studie oft als unzugänglich und unnahbar wahr und bringen sich deshalb wenig ein. Jüngstes Beispiel: Das vorläufige Aus für den Jugendgemeinderat. Was ist zu tun?

Die Hitze hat ganz viel mit dem Thema zu tun“, sagt Helmar Schöne von der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Der Professor stellte dem Göppinger Gemeinderat den Abschlussbericht einer Studie zur Jugendbeteiligung in der Stadt vor. Dabei betonte er die Notwendigkeit, die Jugendlichen und ihr Engagement ernst zu nehmen und anzuerkennen.

 

Dem Ausschuss für Soziales und Schulen hatte er die Ergebnisse und Vorschläge für ein Konzept bereits vorher vorgestellt. Nun wurde dem Beschlussantrag einstimmig zugestimmt und die Stadtverwaltung beauftragt, die in einem „100-Tage-Programm“ vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen zu bearbeiten und umzusetzen.

Jugendliche wollen Resultate sehen

Was Schöne mit dem Hitzevergleich den Stadträten im wohltemperierten Ratssaal eindringlich deutlich machen wollte, war die Bedeutung der Wertschätzung und Anerkennung des Engagements Jugendlicher. „Man darf nicht nur signalisieren, dass sie recht haben und dann passiert nichts“, sagte er, auch mit Blick auf das Klima-Thema. „Es muss einen Output zeitigen, damit sich die Jugendlichen ernst genommen fühlen und dauerhafte Identifikation mit ihrer schönen Stadt entsteht.“ Ansonsten könne es zu einer Entfremdung gegenüber der Kommunalpolitik und Politik generell führen.

Stadträte und Stadträtinnen sollten den Anliegen der Jugendlichen auf Augenhöhe begegnen. Oftmals seien diese gar nicht so weit weg von denen der Erwachsenen. Als Beispiel nannte Schöne die Themen Sicherheit und Sauberkeit. Kommunalpolitik werde von Jugendlichen jedoch leider oftmals als unzugänglich und unnahbar wahrgenommen. Die nicht repräsentative Untersuchung hatte unter anderem Zweifel der 862 beteiligten Jugendlichen an der Bereitschaft, sich auf Kommunalpolitik einzulassen, zutage gefördert.

Nicht genügend Kandidaten für die Wahl des Jugendgemeinderats

Anlass für die 65-seitige Evaluation war das vorläufige Aus des Jugendgemeinderats (JGR) im vergangenen Jahr gewesen, da sich nicht genügend Kandidaten für die Wahl dazu gefunden hatten. Als bedauerlich, jedoch nicht als allgemeines Anzeichen für eine Beteiligungsmüdigkeit der Jugendlichen wollte der Professor aus Schwäbisch Gmünd die ungeplante Pause verstanden wissen. Damit wolle er aber kein Votum für die grundsätzliche Abschaffung des Gremiums aussprechen, betonte Helmar Schöne. Vielmehr plädierte er für eine „Neuregelung des Jugendgemeinderates“ sowie eine Vielzahl an Beteiligungsmöglichkeiten.

Ein weiterer Aspekt, den der Politikwissenschaftler hervorhob: Gerade auch Jugendliche abseits gut situierter Strukturen sollten in den Fokus genommen werden, um unterschiedliche Milieus einzubinden. Jugendliche seien heutzutage eher für „projektorientierte Formate“ als für eine längerfristige Bindung offen.

Der Jugendgemeinderat soll parallel durch Änderungen an wesentlichen Stellschrauben auf neue Beine gestellt und zukunftsfähig gemacht werden. In diesem Zusammenhang riet Schöne, „auch über unkonventionelle Dinge“ nachzudenken. So brachte er die Idee ins Spiel, den Jugendgemeinderat, ähnlich seinem Pendant im Ratssaal, mit Tablets auszustatten, die gleichzeitig Belohnung für das Engagement sein könnten. Oder die Überlegung, das Wahlrecht auf Schülerinnen und Schüler, die Göppinger Schulen besuchen, aber aus anderen Kreisgemeinden stammen, auszudehnen.

Weitere Vorschläge: ein eigenes kleines Haushaltsbudget einzurichten, über das die Jugendräte unbürokratisch verfügen könnten, sowie den Vorsitz im Rat vom Oberbürgermeister weg auf ein gewähltes Mitglied des Jugendgemeinderats zu übertragen und auch die Tagesordnung Jugendliche selbst bestimmen zu lassen. Regelmäßige Treffen zwischen Gemeinderat und Jugendgemeinderat seien wichtig für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, ebenso die Stärkung des Anhörungs-, Antrags- und Informationsrechts des Jugendgemeinderats. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Öffentlichkeitsarbeit über Presse und Social Media sowie die Vernetzung. Bei den Wahlen der jungen Räte schlug Schöne die Zusammenarbeit mit den Schulen vor, womöglich sei auch die Zusammenlegung mit anderen Wahlen sinnvoll.