Auf die 37 Abgeordneten im Stadtparlament der Großen Kreisstadt kommen schwierige Entscheidungen zu. Wegen der angespannten Finanzlage muss ein strikter Sparkurs eingeschlagen werden. Was kommt auf den Prüfstand?
Mitte September beginnt für den neu zusammengesetzten Kirchheimer Gemeinderat die kommunalpolitische Arbeit. Es braucht keine seherische Gabe, um zu prophezeien: Der Start in die Wahlperiode wird nicht einfach werden für das Gremium.
Zum einen haben sich die Machtverhältnisse geändert – erstmals ist nun auch die AfD vertreten. Wie sich das auf das politische Klima im Rat auswirkt, wird sich zeigen müssen. Zum anderen ist da die angespannte Finanzlage der gut 42 000 Einwohner zählenden Kreisstadt, die nur wenig Gestaltungsspielraum zulässt. Unterm Strich könnte am Jahresende im Haushaltsbuch ein Minus von 7,7 Millionen Euro stehen, prognostiziert Kämmerin Sylvia Zagst. Der gerade erst mühsam abgetragene Schuldenberg droht auf 31 Millionen Euro anzuwachsen.
Schuldenstand erreicht „kritische Größenordnung“
Der vom Vorgängergremium beschlossene Doppelhaushalt 2024/25 ist ziemlich auf Kante genäht. Das Regierungspräsidium Stuttgart, das die Planung nicht kommentarlos genehmigt hat, weist in seinem Prüfbericht darauf hin: „Die finanzwirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt ist ausgereizt und eine kritische Größenordnung des Schuldenstands erreicht.“ Die Empfehlung der Behörde lautet daher, bei der künftigen Haushaltsplanung „das Augenmerk verstärkt auf die Umsetzungsmöglichkeiten der Investitionsmaßnahmen im jeweiligen Planungsjahr zu richten sowie die Unabweisbarkeit von Maßnahmen unter Beachtung der Folgekosten einer genauen Prüfung zu unterziehen und klar zu priorisieren. Dabei muss die Stadt auch die freiwilligen Leistungen und eine Streckung des Realisierungszeitraums prüfen.“
Der Nachtragshaushalt für 2025 könnte so zur ersten großen Bewährungsprobe des Gemeinderates werden, der weitreichende Entscheidungen zu treffen und zu verantworten hat: Wie geht es weiter mit dem Ausbau der Ganztagesbetreuung, der Schaffung von Wohnungen, der Entwicklung von Gewerbegebieten, der Verschönerung der Innenstadt oder dem Hochwasserschutz? Wo kann gespart, was kann gestrichen werden?
Das historische Kornhaus steht offenbar nicht zur Disposition. Die Fraktionen sind sich einig, die lange aufgeschobene Sanierung endlich anzugehen, obwohl nun mit 17 Millionen Euro Umbaukosten kalkuliert wird. Der derzeitigen Planung zufolge sollen die Arbeiten im nächsten Jahr beginnen, das Städtische Museum Ende 2028 wiedereröffnen. „Wir haben eine Verpflichtung, dieses Kulturgut zu erhalten“, sagt Bettina Schmauder, die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, in aller Deutlichkeit.
Wie geht es weiter mit den Hallenbad-Plänen?
Der CDU ist nach Worten ihrer Fraktionschefin Natalie Pfau-Weller ein rascher Schuldenabbau wichtig, „jedoch sehen wir die Notwendigkeit, wichtige Investitionen beispielsweise im Bereich Bildung und Infrastruktur zu tätigen“. Die Sanierung des Ludwig-Uhland-Gymnasiums, rund 20 Millionen Euro teuer, scheint also ebenfalls gesetzt zu sein. Ein Problem aber gibt es noch: „Alleine wird Kirchheim diese Investitionen nicht tätigen können“, macht Pfau-Weller deutlich. Die Umlandkommunen sollen sich nach einem Verwaltungsgerichtsurteil an den Kosten beteiligen – von einer Einigung ist man allerdings noch weit entfernt.
Anders sieht es bei dem Neubau des Hallenbades aus. Hier haben sieben Nachbargemeinden die Bereitschaft signalisiert, sich finanziell einzubringen. Die Stadtverwaltung treibt die Planungen derzeit mit Hochdruck voran. Ende dieses Jahres soll der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss fassen. Der Haken ist: Jüngst vorgelegten Zahlen zufolge ist nicht nur mit Investitionskosten in Höhe von gut 36 Millionen Euro zu rechnen, sondern auch mit einem jährlichen Defizit von mehr als zwei Millionen Euro.
„Das Ziel der SPD-Fraktion ist noch immer die Eröffnung des Kirchheimer Hallenbades vor 2030“, betont ihr Vorsitzender Marc Eisenmann dennoch. Manfred Machoczek, der Fraktionschef der Grünen, fügt hinzu: „Es ist wichtig, dass die Diskussion um eine Finanzierung des Hallenbads transparent und ehrlich geführt wird. Die Stadt wird nach aktuellem Stand auf Freiwilligkeitsleistungen verzichten müssen, damit der Abmangel finanziert werden kann.“ Die SPD würde laut Eisenmann den erwarteten Fehlbetrag nach Möglichkeit lieber aus Überschüssen der Stadtwerke decken.
Freiwilligkeitsleistungen auf dem Prüfstand
Die Reduzierung von Freiwilligkeitsleistungen ist nämlich ein heikles Thema. „Sie machen eine Stadt attraktiv“, betont Machoczek. Deshalb wollen die Grünen sie „nach ihrer Wirkung beurteilen“. Es sei nichts gespart, wenn der Stadt dadurch an anderer Stelle Kosten entstünden.
Aber worauf könnte man denn verzichten? „Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten“, räumt Natalie Pfau-Weller ein. Die CDU könne sich vorstellen, Zuschüsse wie das Stadtticket aussetzen. Aber auch „die Zuschüsse an Vereine sollten kritisch hinterfragt, aber nicht zu stark gekürzt werden“, fügt sie hinzu.
Die Zusammensetzung des Kirchheimer Gemeinderats
Wahlergebnis
Bei der Kommunalwahl am 9. Juni haben in Kirchheim 59,7 Prozent der Wahlberechtigten ab. Die Freien Wähler erhielten 22,2 Prozent der Stimmen, die CDU 18,9 Prozent, die Grünen 17,8 Prozent und die SPD 17,3 Prozent. Die AfD kam im ersten Anlauf auf 9,4 Prozent, die FDP/KiBü-Liste holte 5,9 Prozent der Wählerstimmen. Die Liste „Kirchheim.Sozial“ (KiSo) schaffte es auf 4,3 Prozent, die Christliche Initiative Kirchheim (CIK) erreichte 4,2 Prozent.
Fraktionen
Bedingt durch die unechte Teilortwahl bleibt es auch im neuen Kirchheimer Gemeinderat bei fünf Ausgleichsitzen. Das Gremium hat deshalb erneut 37 Mitglieder, darunter sind 14 „Neulinge“. Die Freien Wähler stellen nun acht Stadträtinnen und Stadträte, CDU und Grüne sind mit jeweils sieben Mitgliedern vertreten, die SPD hat sechs Sitze, die AfD schickt drei Abgeordnete ins Gremium, FDP/KiBü sowie KiSo und CIK jeweils zwei. Der Oberbürgermeister Pascal Bader ist Vorsitzender des Gemeinderates.