Kinderarbeit: Solche Steine stehen auch auf deutschen Gräbern Foto: StN

Entwicklungspolitik – macht die nicht der Bund? Schon, aber wenn Gemeinden dabei mithelfen, wirkt sie besser. Das meint jedenfalls der Städtetag, der mit Hilfe von Bund und Land möglichst viele Kommunen ins Boot holen will.

Reutlingen - Jede Gemeinde im Land kann nach Ansicht von Europaminister Peter Friedrich zur Eindämmung von Hunger, Armut und Ungerechtigkeit in der Welt beitragen und sollte dies auch tun. „Natürlich können kommunale Projekte nicht die Ungerechtigkeiten der Globalisierung aufheben, aber ohne entwicklungspolitisches Engagement der Gemeinden geht es nicht voran“, sagte der SPD-Politiker unserer Zeitung.

Dazu zählt er etwa Partnerschaften von Schulen, Hochschulen oder Kliniken mit vergleichbaren Einrichtungen in Afrika, Asien oder Südamerika. Aber auch beim Einkauf von Baumaterial oder Lebensmitteln lasse sich darauf achten, dass dies nicht zum Schaden, sondern zum Nutzen des Handelspartners geschieht, sagte Friedrich, der in der Landesregierung auch für Entwicklungspolitik zuständig ist.

Beim Städtetag Baden-Württemberg rennt er damit offene Türen ein, zumal große Kommunen wie Stuttgart, Freiburg oder Ulm bereits seit vielen Jahren auf diesem Feld aktiv sind. Viele tragen auch bereits das Etikett „Fair-Trade-Stadt“, das sie als Partner ausweist, die auf fairen Handel mit nachhaltig erzeugten Produkten Wert legen – bis hin zum fair gehandelten Bürokaffee in den Amtsstuben.

Kleinere Gemeinden jedoch sehen Entwicklungspolitik noch immer als rein bundespolitisches Betätigungsfeld, und das hat auch eine jahrzehntelange Tradition. Friedrich: „Es war lange Zeit umstritten, ob Kommunen hier überhaupt aktiv sein dürfen.“ Doch das steht inzwischen europaweit außer Zweifel, denn zahlreiche Staaten, so etwa Großbritannien oder Holland, fördern die kommunale Entwicklungspolitik. Auch in Deutschland ist dies mittlerweile so.

Trotzdem fehlt es gerade den kleineren Kommunen bisher noch an konkreten Ratschlägen, wie sie entwicklungspolitisch aktiv werden können. „Wir wissen bisher auch gar nicht genau, wie viele sich engagieren“, sagt Norbert Brugger vom Städtetag. Deshalb hat der kommunale Spitzenverband am 1. März in Zusammenarbeit mit dem Land und der vom Bund mitgetragenen Organisation Engagement Global ein Projekt gestartet, das all diese Lücken schließen will.

„Engagement kommunal – Verantwortung global“, nennt sich das Vorhaben, das sich zum Ziel setzt, die Gemeinden zu beraten und ihnen Handlungsempfehlungen sowie Ansprechpartner zu liefern. Für den Erfahrungsaustausch ist eine Plattform im Internet geplant. Das Geld, etwa 150 000 Euro, stammt nicht nur vom Bund, sondern auch vom Land, vom Städtetag und von der Stadt Stuttgart – die Landeshauptstadt steuert eine Halbtagsstelle bei.

Dort ist kommunale Entwicklungspolitik schon lange kein Fremdwort mehr. „Stuttgart war Vorreiter“, sagt Alexander Kreher, der viele Jahre die Außenbeziehungen der Stadt koordiniert hat. Jetzt ist er Finanz- und Wirtschaftsbürgermeister von Reutlingen und legt auch dort Wert auf globales Denken: „Alles, was bei uns passiert, hat Auswirkungen auf südliche Länder.“ Ob man nun den Schüleraustausch pflegt oder (wie in Reutlingen) Theaterprojekte mit Partnerstädten ins Leben ruft, ob man Grabsteine verbietet, die von Kindern gemeißelt wurden, oder fair gehandelte Produkte kauft: Praktiker wie Kreher sehen zahllose Möglichkeiten für Kommunen, den Eine-Welt-Gedanken umzusetzen.

Und was bringt das alles den Bürgern in Deutschland? Materiell wahrscheinlich nicht viel, ideell aber einiges. „Der Kontakt mit anderen Kulturen ist für alle eine Bereicherung“, sagt Norbert Brugger vom Städtetag. Die Frage nach dem monetären Nutzen stelle ja auch bei den Städtepartnerschaften innerhalb Europas niemand, und trotzdem würden sie als Gewinn betrachtet. Und vielleicht, so glaubt Brugger, trägt entwicklungspolitisches Engagement dereinst auch noch ganz handfeste Früchte: wenn nämlich die Regionen in südlichen Ländern einmal eine größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen als heute.

Wer, wenn nicht das in den globalen Handel eingebundene Baden-Württemberg, solle sich entwicklungspolitisch engagieren, fragt auch der Reutlinger Bürgermeister. Kreher ist überzeugt: „Den Nutzen davon haben eindeutig wir.“