Im Februar 2015 nimmt Stadtwerke-Chef Michael Maxelon (Mitte) mit Technikexperten ein neues Blockheizkraftwerk in Stuttgart in Betrieb – solche Projekte soll es für die Stadtwerke künftig öfter geben Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

OB Fritz Kuhn will die Energiewende unter den Bedingungen einer großen Industriestadt vorexerzieren. Jetzt hat der Grüne sein Energiekonzept verfeinert. In 34 Jahren soll Stuttgart viel weniger Energie verbrauchen, den Bedarf ganz aus erneuerbaren Quellen decken und keine Klimagase auspusten.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt nimmt Kurs auf das Ziel, in 34 Jahren komplett mit Energie aus erneuerbaren Quellen auszukommen – im Jahr 2050.

Die Energiewende in einer Groß- und Industriestadt wie Stuttgart sei sehr ambitioniert, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) am Dienstag. Da legte er, zehn Monate nach der Präsentation des Entwurfs, die verfeinerte erste Fassung des Energiekonzepts vor. Die Fraktionen applaudierten. Ende Januar soll der Gemeinderat das Konzept beschließen.

Viele Vorschläge gesammelt

Seit Januar hatte die Verwaltung 22 Gespräche mit Verbänden, Interessengruppen, Unternehmen und Behörden geführt und 220 Zusatzvorschläge gesammelt, überdies via Internet Großteile der Stadtgesellschaft einzubeziehen versucht.

Das Kapitel über die „Vision 2050“ wurde komplett überarbeitet. Den Stadtwerken Stuttgart wird nun eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der lokalen Energiewende zugeschrieben – etwa durch Beratung und Investitionen in energetische Projekte in Wohngebieten und Heizungskellern sowie durch den Bau von Blockheizkraftwerken. Weitere Neuerungen: Unternehmen wollen in einem Netzwerk an eigenen Beiträgen zur Energiewende feilen. Die Stadt peilt nach großen Erfolgen bei der Sanierung eigener Gebäude und der Umstellung auf Ökostrom auch weitere Maßnahmen an. Unter anderem will sie alle Klima- und Lüftungsanlagen in ihren Gebäuden regelmäßig überprüfen. Das Konzept sieht jetzt 101 statt 86 Einzelmaßnahmen vor. Von vielen erhofft man sich große Effekte.

In 34 Jahren ohne Atom- und Kohlekraftstrom

Vorne dran: eine Offensive bei den Fotovoltaikanlagen auf Stuttgarts Dächern und viel mehr Sanierungen von Privathäusern durch ein Förderprogramm, aber auch die Sanierung der landeseigenen Gebäude. Umweltfreundlichere Leuchtmittel in städtischen Gebäuden und Ampeln sowie das Jobticket für Mitarbeiter von Stadt und Land sind weitere Maßnahmen.

Bis 2050 möchte die Stadtverwaltung den Energieeinsatz in ganz Stuttgart um 65 Prozent im Vergleich mit dem Jahr 1990 senken. Der Restbedarf an Energie soll klimaneutral komplett mit erneuerbaren Energien gedeckt werden, also ohne Atomkraft und ohne fossile Energieträger. Schon 2020 soll der Verbrauch um 20 Prozent niedriger sein. „Wir können und werden Stuttgart zur Vorzeige-Großstadt in Sachen Energiewende machen“, sagte Kuhn im Umweltausschuss. Stuttgart könne bis 2050 von Atomkraft und Kohlekraft unabhängig werden, wenn alle an einem Strang ziehen. Er setzt auch auf die Bürgerinitiativen, die das Windräder-Projekt im Tauschwald bekämpften. Mit ihnen habe er inzwischen ein „spannendes und interessantes Gespräch“ gehabt. Ergebnis: Sie wollten bei Ersatzprojekten etwa mit Fotovoltaik mithelfen.

Gemeinderatsfraktionen sind angetan

Die Fraktionen begrüßten das Konzept. Die Stadtwerke müssten allerdings noch beweisen, dass sie Nahwärmeprojekte dauerhaft verbraucherfreundlicher umsetzen könnten als andere Unternehmen im Bundesgebiet, meinte Alexander Kotz (CDU). Das Konzept sei „kein Papiertiger“, meinte Björn Peterhoff (Grüne). Hans Pfeifer (SPD) nannte es „wichtig“, allerdings seien die im Haushaltsplanentwurf vorgesehenen 1,3 Millionen Euro für die Umsetzung „ein Nasenwasser“. Das Konzept stehe und falle mit der Infokampagne, urteilte Christoph Ozasek (Die Linke). Jürgen Zeeb (Freie Wähler) hielt mehr Zuschussprogramme für nötig, damit Einwohner mitziehen.

Eberhard Brett (AfD) kritisierte die Stadtwerke. Die hätten 250 000 Euro für die Vorbereitung des gescheiterten Windkraftprojekts im Tauschwald in den Sand gesetzt. Das Chefgehalt sei fast so hoch wie bei der EnBW. Aber die Stadtwerke hätten zu wenig „Effizienz“. Brett: „Das kann so nicht weitergehen.“ Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) wies „dieses Generalbashing der AfD“ gegen Stadtwerke und Verwaltung zurück. Deren Arbeit sei gut.