Ein kostspieliges Vergnügen: Die Kommunen müssen viel Geld für ihre Bäder ausgeben, die allerdings ein Standortvorteil sein können. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Immer mehr kommunale Schwimmbäder sind völlig marode – und manche werden gleich ganz geschlossen. Droht ein Bädersterben?

Stuttgart - Von einer solchen Bäderdichte können die Deutschen nur träumen: In Island kommen auf knapp 350 000 Einwohner 170 öffentliche Bäder. Im Schnitt ist das eines pro 2000 Einwohner. In der Hauptstadt Reykjavík gibt es sogar ein Strandbad. Sobald das Thermometer zweistellige Temperaturen anzeigt, strömen die Menschen an den Nordatlantik. In die Bucht wird warmes Wasser geleitet, so dass Unerschrockene ihre Bahnen ziehen können, ohne Erfrierungen zu erleiden.

Auch hierzulande sind Bäder ein Epizentrum der Freizeitkultur, allerdings teilen sich rechnerisch gut 15 000 Menschen ein öffentliches Bad. An heißen Tagen stehen die Leute Schlange an den Kassenhäuschen. Getobt, geflirtet, geplanscht und gefaulenzt wird bis in den Abend hinein, die Badeanstalten sind sozialer Treffpunkt, Sportstätte und Ruheoase in einem – und der Laufsteg und die Schwimmschule der Nation. Doch ausgerechnet in Bayern schlagen Politiker und Verbände jetzt Alarm. Laut der Staatsregierung sind mehr als die Hälfte der kommunalen Bäder im reichen Freistaat sanierungsbedürftig, 55 droht akut die Schließung. Wie sollen die Städte und Gemeinden noch die Bädersanierung stemmen, wo doch Schulen und Straßen auch marode sind? Die SPD dringt auf einen Sonderfonds in Höhe von 30 Millionen Euro für Freibäder, um klamme Kommunen zu unterstützen.

Die DLRG sieht dringenden Handlungsbedarf

Joachim Heuser von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen räumt ein, dass es immer wieder lokale Engpässe gibt, „aber ein dramatisches Bädersterben können wir nicht bestätigen“. Trotz hoher Kosten schreckten viele Kommunen letztlich davor zurück, den Standortvorteil aufzugeben.

Dringenden Handlungsbedarf sieht hingegen die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Stoppe man den Trend nicht, würden immer weniger Kinder Schwimmen lernen, und mittelfristig werde es mehr Todesfälle geben, warnt der Verband. Er verweist darauf, dass laut einer aktuellen Umfrage 59 Prozent der Zehnjährigen nicht mehr sicher schwimmen könnten. Gründe dafür sieht die DLRG im familiären und im schulischen Bereich, Vizepräsident Achim Haag sieht allerdings auch die Kommunen in der Pflicht: „Wer Bäder schließt, um Kosten zu senken, handelt fahrlässig und verantwortungslos.“ Bundesweit hat die DLRG in den vergangenen zehn Jahren 800 Bäderschließungen verzeichnet (wobei Neubauten nach Abrissen nicht eingerechnet sind). Alleine im vergangenen Jahr schlossen demnach 175 Einrichtungen, darunter 62 Freibäder – die meisten davon in Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Allzu viele Bäder sind böllig marode

„Schwimmen steht im Bildungsplan, die Kommunen müssen dafür sorgen, dass ausreichend Bäder zur Verfügung stehen“, argumentiert auch Ursula Jung, DLRG-Vizepräsidentin des Landesverbandes Württemberg. 2017 seien im Südwesten sechs Bäder geschlossen, andererseits sei nur ein Hallenbad neu eröffnet worden. Mit 862 Bädern sei die Versorgung zwar „ausreichend“ gewährleistet, aber in vielen Fällen habe man versäumt, rechtzeitig zu sanieren.

Genau hier liegt das Problem: Allzu viele Bäder sind völlig marode. In den 1960er und 1970er Jahren wollte praktisch jeder sein eigenes Bad haben – und der Staat unterstützte die Kommunen kräftig: „Goldener Plan“ hieß das milliardenschwere Programm zur Verbesserung der Sportstätteninfrastruktur. In den Krisenzeiten der Nullerjahre hat man dann notwendige Reparaturen verschoben, was sich jetzt rächt. Der Sanierungsbedarf ist teils so immens, dass Kommunen einen Abriss und Neubau erwägen – oder eben die endgültige Schließung. Vom Land können sie keine Hilfe erwarten, denn Schwimmbäder sind ausdrücklich von der Förderung ausgenommen. „Überall dort, wo die Bäder in den siebziger Jahren gebaut worden sind, besteht die Gefahr, dass ein Bad geschlossen werden muss“, sagt Jung. Und der Trend werde sich fortsetzen.

Im Südwesten gibt es nach den Ferien eine Umfrage

Beispiel Asperg: In der 13 000-Einwohner-Stadt im Landkreis Ludwigsburg hat das örtliche Hallenbad im vergangenen Jahr für immer dicht gemacht. Die Bürgerinitiative Rettet das Bädle kämpft zwar weiter – im Moment vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart –, aber die Stadt möchte lieber 6,5 Millionen Euro in eine neue Sporthalle investieren. Dramatisch ist die Lage in Pforzheim. Der Bäder-Bürgermeister rechnet mit einem Investitionsbedarf von 50 Millionen Euro. Die klamme Goldstadt hat zu wenig Geld, um alle Freizeitstätten zu erhalten, zumal kommunale Bäder immer ein Zuschussgeschäft sind. Die Eintrittsgelder decken meist nicht einmal ein Drittel der Kosten. Stuttgart hingegen klagt vor allem über den Schwimmmeistermangel, mit dem viele Städte zu kämpfen haben. Laut dem Bund Deutscher Schwimmmeister (BDS) fehlen etwa 400 Fachkräfte im Südwesten, auch zahlreiche Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt. Deshalb müssen die Badegäste mit verkürzten Öffnungszeiten leben. Dennoch ist Stuttgart mit 16 Hallen-, Frei- und Mineralbädern relativ gut aufgestellt und leistet sich sogar ein neues Sportbad für 35 Millionen Euro. Unklar ist nur, wann die Sanierung des Kultbades Berg abgeschlossen ist und was aus dem Stadtbad an der Hofener Straße wird, wenn das neue Sportbad Im Neckarpark eröffnet wird. Ihr Stadtbad wollen die Cannstatter unbedingt als Schulschwimmbecken erhalten.

In Baden-Württemberg will man jetzt erst einmal erfassen, wie sich die Lage im Bereich Schulschwimmen tatsächlich darstellt. Nach den Sommerferien soll die Umfrage starten. „Wir sind ein Bäderland, vielleicht ist es ja gar nicht so dramatisch“, meint Norbert Brugger vom Städte- und Gemeindetag. Andernfalls müsse man zusammen mit dem Land eine Lösung finden. Zugleich räumt er ein, dass man die Bäder nicht vergesse, aber: „Unsere ganze Kraft setzen wir gerade in die Sanierung von Schulbauten“. Da gebe es schließlich einen Sanierungsstau von vier Milliarden Euro.