Ohne Fraktionszwang und nach respektvoller Debatte stimmte der Bundestag für ein verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe. Foto: dpa

Der Deutsche Bundestag stellt die gewerbsmäßige Sterbehilfe unter Strafe – und das ist gut so, denn sie verändert unser Bild von der Würde des menschlichen Lebens. Ein Kommentar.

Berlin - Der Deutsche Bundestag hat nach einer gründlichen und respektvollen Debatte die gewerbliche Sterbehilfe unter Strafe gestellt. Dass er sich überhaupt mit diesem Thema befasste, ist keineswegs selbstverständlich und bedarf der Begründung.

Sterben ist Privatsache. Es gibt vielleicht eine moralische, sicher aber keine rechtliche Pflicht zu leben. Die menschliche Autonomie, die Selbstbestimmung aus freiem Willen, ist konstitutiver Teil der menschlichen Würde. Jeder Mensch hat das Recht, seinem Leben ein Ende zu machen. Sterben ist Privatsache. Es gehört zur intimsten Sphäre menschlichen Lebens. Es zu schützen in all seinen Phasen ist eine Pflicht. Aber es kann auch ein letzter verzweifelter Liebesbeweis sein, einem nahen Menschen bei der Erfüllung seines Sterbewunsches zu helfen. In diesen Grenzbereich menschlicher Not reicht kein Versuch der Verrechtlichung.

An all diese Grundsätze hat der Bundestag nicht gerührt. Er hat eben nicht die Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt, sondern deren geschäftsmäßig betriebene Form. Hat er damit dennoch eine Grenze überschritten? Nein, keineswegs. Der Staat, das heißt der Gesetzgeber, hat im Gegenteil die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die im ersten Artikel des Grundgesetzes beschworene Würde des Menschen unantastbar bleibt und einzuschreiten, wenn sie in Frage gestellt wird. Es ist seine Aufgabe, mit rechtlichen Regelwerken das Leben zu schützen. Insofern sind die Abgeordneten aller Fraktionen, die sich mehrheitlich hinter den Antrag gestellt haben, ihrer Aufgabe gerecht geworden. Denn tatsächlich gab es die Notwendigkeit zu handeln.

Handlungsreisende des Todes

Da ist ein Markt entstanden. Man mag sich darüber streiten, wie groß er ist. Aber es gibt Personen und sogar Vereine, die gern beim Sterben behilflich sind. Mit Räumen, mit Broschüren, mit Mitteln, die den sanften Tod garantieren sollen. Es gibt dafür eine gewisse Nachfrage, und vielleicht wächst sie sogar mit dem Angebot. Das ist dann eben nicht mehr der Angehörige oder Partner, der seinem Nächsten einen letzten tragischen Dienst erweist. Hier geht es um Handlungsreisende des Todes, um Sterbedienstleister, um Verkäufer eines Produkts.

Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob mit der Dienstleistung Geld verdient wird. Das Verwerfliche liegt nicht in irgendeiner verlangten Gebühr, sondern in der seriellen Form des Angebots überhaupt. Das Eingreifen des Gesetzgebers ist nicht deshalb geboten, weil sich hier womöglich jemand am Leid anderer bereichert. Es ist notwendig, weil bei unserer gesellschaftlichen Selbstverständigung über die besondere Würde des Lebens etwas Entscheidendes ins Rutschen kommt.

Was heißt es, wenn der Tod verfügbar wird wie das Essen auf Rädern; wenn einfach zur Auswahl steht, ob die Krankenschwester kommen soll oder der Todeslieferant mit dem Giftkoffer; wenn der Eindruck entsteht, dass der schnelle Exit auf Bestellung eine akzeptierte gesellschaftliche Alltäglichkeit wird? Welcher Druck und welche Entscheidungslast werden dann auf alte, leidende, siechende Menschen gelegt? Ihnen wird suggeriert, dass sie ihren Familien eine unnötige Last aufbürden – durch Pflegenotwendigkeiten, Unterbringungskosten, durch den bloßen Anblick von Leid: wo doch ein so leichter Ausweg zur Verfügung steht? Muss sich dann nicht bald derjenige rechtfertigen, der einfach nur leben will, selbst unter widrigsten Umständen?

Der Staat muss Leben in all seinen Formen schützen und eingreifen, wenn es durch gesellschaftliche Entwicklungen bedroht wird. Insofern hat der Bundestag eine weise und ausgewogene Entscheidung getroffen.