Die Wohnungen an der Roten Wand werden deutlich später gebaut als ursprünglich geplant. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In Zeiten der Wohnungsnot sollten sich Bauvorhaben mehr an der Realität als an Wunschvorstellungen orientieren, kommentiert StN-Titelautor Sven Hahn.

Stuttgart - Wunschvorstellungen sind das eine, die Realität etwas völlig anderes. Der jüngsten Beweis für diese alte Weisheit findet sich auf dem Killesberg. Dort lässt sich der preisgekrönte Entwurf für das lang erwartete Wohnquartier Rote Wand offenbar nur äußerst schwierig in die Wirklichkeit umsetzen. Die Folge: Der Bau der rund 120 dringend benötigten Wohnungen verzögert sich deutlich. Eine Tatsache, die in Zeiten von Wohnungsnot und immer weiter steigenden Immobilienpreisen äußerst schmerzhaft ist.

Um es deutlich zu sagen: Die Flüchtlinge, die derzeit auf dem Gelände untergebracht sind, trifft an der Verzögerung nicht die geringste Schuld. Hätte der Bau wie geplant begonnen, die Flüchtlinge wären fristgerecht an anderer Stelle untergebracht worden. Ursache für die Verspätung des Bauprojekts scheinen vielmehr die zumindest teilweise realitätsfremden Ideen der Architekten zu sein. Zugegeben, der Entwurf, nach dessen Vorgaben das Areal bebaut werden soll, verspricht eine ansprechende Architektur. Doch haben die Ideen der in einem Wettbewerb ausgewählten Architekten mit den Anforderungen des Alltags anscheinend nur wenig zu tun. Ein Beispiel: Die Planer haben die Einfahrt zur Tiefgarage des neuen Wohnquartiers ausgerechnet an den topografisch höchsten Punkt des Geländes gelegt. Die Folge: Es muss kräftig umgeplant werden, um die Einfahrt an einen tiefer gelegenen Ort zu verlegen. Ein enormer Aufwand für die städtischen Ämter – von den Folgen für die viel befahrenen Kreuzungen zwischen Brenzkirche, Killesberghöhe, dem neuen Wohngebiet und der Kunstakademie ganz zu schweigen.

In einer Zeit, in der jede einzelne neue Wohnung dringend gebraucht wird, in der aber die Zahl neu gebauter Einheiten – speziell im günstigen und geförderten Segment – bislang kaum die Zielvorgaben aus dem Rathaus erreicht, wäre es hilfreich, die Pläne für neue Wohnquartiere würden sich mehr an den Anforderungen des Alltags und weniger an Wunschvorstellungen orientieren.

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