Passagiere warten auf die S-Bahn. Foto: dpa

Grün-Rot regelt die ÖPNV-Förderung neu: Das ist gerecht, aber weniger wirksam, sagt Landesnachrichten-Redakteur Arnold Rieger.

Grün-Rot regelt die ÖPNV-Förderung neu: Das ist gerecht, aber weniger wirksam, sagt Landesnachrichten-Redakteur Arnold Rieger.

 

Zwei Autos in der Garage, für die Tochter eines vor dem Haus. Für viele Familien ist das normal. Sie leisten sich den Luxus, weil er ihrem Lebensgefühl entspricht. Oder weil sie ihn sich leisten müssen – mangels Alternative. Dennoch sagt die Zahl der Autos immer weniger darüber aus, wie man sie nutzt. Wer kann, steigt gern um auf Bus und Bahn, das zeigen die steigenden Fahrgastzahlen. Die Jugend pfeift ohnehin auf das Statussymbol, und in der Stadt ist Fortbewegung zunehmend eine Mischung von Verkehrsträgern – samt Fahrrad und Carsharing.

Das Rückgrat dieser modernen Mobilität ist der öffentliche Personennahverkehr. Ihn auszubauen steht denn auch zu Recht im Zentrum der Politik. Das ist nicht grün, schwarz oder rot, sondern bürgernah. Wie wichtig die Gemeinden das nehmen, zeigen ihre langen Wunschlisten an das Land, das die Fördergelder des Bundes verteilt. Ob es nun neue Stadtbahnen sind oder schnellere Takte, ob Bürgerbusse oder behindertengerechte Bahnsteige: Die Wünsche übersteigen die Möglichkeiten um ein Vielfaches.

Es fehlt also an Geld. Dabei hat die Landesregierung bereits umgeschichtet und vom Straßenbau Mittel abgezweigt. Mehr als die Hälfte der insgesamt 165,5 Millionen Euro kommen nun Bussen und Bahnen zugute. Doch der Topf wird nicht größer. Dass die Große Koalition mehr hineinfüllt, ist Wunschdenken. Wie also umgehen mit dem Mangel? Der Landesverkehrsminister hat sich für eine neue Verteilung des Geldes entschieden – und damit den Zorn der Städte auf sich gezogen. Diese müssen, kurz gesagt, mehr aus der eigenen Schatulle aufbringen, da die Zuschüsse von 75 auf 50 Prozent sinken. Außerdem zahlt das Land nur noch Festbeträge und schießt nichts mehr nach, wenn ein Vorhaben teurer wird. Mit dem eingesparten Geld erfüllt es neue Wünsche: Fahrradabstellplätze zum Beispiel oder Lärmschutzmaßnahmen, die bisher nicht gefördert wurden. So seien auch kleinere Gemeinden in der Lage, sich diese Dinge leisten zu können, rechtfertigt Minister Hermann das Umsteuern.

Großprojekte jedoch wie der Bau von Stadtbahnen schlagen umso heftiger zu Buche. Schon drohen Kommunen, sie verzichteten dann eben ganz. Schneidet sich Grün-Rot so nicht ins eigene Fleisch? Diese Gefahr besteht, denn große Städte wie Mannheim haben nicht automatisch große Spielräume. Man darf auch die Frage stellen, ob Fördergelder nicht dort am besten aufgehoben sind, wo am meisten Menschen davon profitieren – in den Ballungsräumen also. Überspitzt ausgedrückt: Ist es nicht wirksamer, in Freiburg einen Kilometer Stadtbahn zu bauen als in Furtwangen eine Bushaltestelle?

Im dezentral aufgebauten Baden-Württemberg sind solche Fragen heikel. Denn sie rühren an Geschichte und Gerechtigkeit. Wenn die Landesregierung nun also den Strom des Fördergelds weg von den Zentren lenkt, ist das auch eine bewusste Verbeugung vor dem ländlichen Raum. Und der Versuch, die Doppelgaragen in den Dörfern ein Stück überflüssig zu machen. Den Preis dafür, das muss man aber wissen, bezahlen die Zentren.

An einer Stelle gab es zur Kurskorrektur ohnehin keine Alternative: bei der Umstellung der Förderung auf Festbeträge. Denn das alte Modell war eine Einladung zum Schlendrian. Jahr für Jahr moniert der Rechnungshof, dass Verkehrsprojekte schlampig geplant und deshalb teurer werden. Dies abzustellen ist in Zeiten knappen Geldes ein Gebot der Vernunft. Am Grundproblem ändert das jedoch nichts: Dort, wo die meisten Menschen leben, in den Ballungsräumen, fehlt das meiste Geld. Mit einer tröpfelnden Gießkanne lässt sich dieser Mangel nicht beheben.