Keine leichte Übung für beide Seiten: AfD-Fraktionschef Meuthen gratuliert der neuen Landtagspräsidentin Aras zu ihrer Wahl. Foto: dpa

In einer Umfrage sagen 60 Prozent der Bundesbürger, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Die Lebenswirklichkeit der allermeisten Deutschen spricht allerdings eine andere Sprache.

Stuttgart - Nun gibt es also eine neue Umfrage zum Thema Islam. Das Ergebnis: Für 60 Prozent der Bundesbürger gehört der Islam nicht zu Deutschland. Und wen wundert’s, dieser Aussage stimmen 94 Prozent der AfD-Parteigänger zu. In deren Parteiprogramm steht schließlich wortwörtlich der Satz: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

Doch was sagt diese eine Antwort in der Umfrage des Instituts Infratest dimap aus? Ziemlich wenig. Klarer wird die Sache, wenn andere Ergebnisse hinzugezogen werden. Eine Mehrheit von 58 Prozent der Deutschen meint, die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke und FDP kümmerten sich nicht ausreichend darum, dass Sorgen und Bedenken gegenüber dem radikalen Islam ernst genommen werden. Und: Relativ groß ist derzeit die Furcht vor einem islamistischen Terroranschlag in Deutschland. Dass es dazu kommen wird, befürchten fast drei von vier Deutschen (72 Prozent). Das ist ein wenig überraschendes Ergebnis nach den Attentaten in Paris und Brüssel.

Die Deutschen haben also keine Angst vor dem Islam, sondern vor dem Terror, der von Islamisten ausgeht. Das eint sie mit den Einwohnern von Istanbul oder Ankara. Dort haben in den vergangenen Wochen mehrere Bomben Dutzende Menschen in den Tod gerissen, gelegt wurden die Sprengsätze von Fanatikern des Islamischen Staates.

Die Klugheit der Wähler unterschätzt

Die Lebenswirklichkeit der allermeisten Deutschen spricht gegen einfache Antworten auf scheinbar einfache Fragen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Wahl der türkischstämmigen Grünen-Politikerin Muhterem Aras zur Präsidentin des Landtages von Baden-Württemberg, einem doch eher christlich-konservativen Bundesland. Die meisten Menschen gehen offensichtlich viel entspannter und realistischer mit der Islam-Frage um, als mancher Politiker glauben machen will.

Die unterschätzen offensichtlich die Klugheit ihrer Wähler und versuchen mit einem dumpfen Populismus politisches Kapital zu schlagen. So bezeichnet die AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum die Wahl von Muhterem Aras als „ein ganz klares Zeichen, dass die Islamisierung Deutschlands in vollem Gang ist.“ Sie spricht auch von einem „schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung durch die falsche Flüchtlingspolitik der Grünen“. AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen versucht, solche verbalen Ausfälle zu relativieren. Er unterstreicht: „Zu Deutschland gehören sehr wohl Millionen Menschen islamischen Glaubens, die bei uns leben, friedlich integriert.“ Nach der Wahl von Aras zur Landtagspräsidentin hat Meuthen der Muslimin gratuliert.