Schwule Ampelmännchen Foto: dpa

Das Grundgesetz steht der rechtlichen Gleichstellung der Homo-Ehe nicht im Wege, kommentiert Wolfgang Molitor.

Stuttgart - Wir können alles. Außer Homo-Ehe. Das darf doch wohl nicht wahr sein, schimpfen nun wieder alle, die kompromisslos seit Jahr und Tag die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare fordern. Haben es jetzt nicht sogar die erzkatholischen Iren per Volksabstimmung mit klarer Mehrheit hinbekommen, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe zu ermöglichen? Was prompt zu der skurrilen Schlussfolgerung führt: Was die Iren können, können wir allemal. Politik argumentiert eben manchmal ziemlich banal.

Da überrascht es dann bereits, dass mittlerweile sogar in der vermerkelten Union ein paar Stimmen laut werden, die zaghaft zumindest mehr Zeit bekommen möchten, um auszuloten, wie die wohl allerletzte konservative Bastion geräuschlos vor dem Zeitgeist geschleift und der im Grundgesetzartikel 6 garantierte Schutz von Ehe und Familie ohne jegliche Ausgrenzung geregelt werden könnte. Wobei die Gegner der Homo-Ehe ihr Heil gerade in diesem Artikel zu finden glauben. Mehr moralisch empört und religiös entsetzt als rechtlich verbissen und politisch unerschütterlich. Dabei ist Deutschland längst nicht so rückständig wie es die zahllosen Schwulen- und Lesbenverbände glauben machen wollen. Zumindest nicht auf juristischer Ebene.

Genau darum aber geht es: um die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Menschen. Nicht um moralische Ansprüche. Schon gar nicht um eine „Liebe erster und zweiter Klasse“, wie Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmidt romantisiert. Und das ist auch gut so. Denn die politischen Entscheidungen, gleich wie sie ausfallen, müssen verfassungsrechtlich auf festem Boden stehen. Und da wird der Spielraum für eine weitere Ausgrenzung homosexueller Paare immer kleiner. Ob es einem nun in das feste, auch viele Vorteile bietende Weltbild von heterosexuellem Zusammensein und Vater-Mutter-Kind-Familie oder nicht.

Schon 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes stelle Ehe und Familie zwar unter einen besonderen Schutz des Staates, dieser Schutz sei aber nicht in Gefahr, wenn gleichgeschlechtliche Lebenspartner tatsächlich neben den gleichen Pflichten auch die selben Rechte erhielten. 2009 ging das Gericht noch einen Schritt weiter, als es verkündete, es sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu begründen, aus dem besonderen Schutz der Ehe zu schlussfolgern, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind.

Damit nicht genug. 2013 stellten die Verfassungsrichter zudem klar, dass auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner mit Kindern eine Familie darstellen, die es verfassungsrechtlich zu schützen gilt. Es könne daher als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetzartikel 3 Absatz 1 gewertet werden, wenn gleichgeschlechtliche Paare nicht genau dieselben adoptionsrechtlichen Möglichkeiten erhielten wie verschiedengeschlechtliche Paare. Zum Adoptionsrecht wird in nächster Zeit eine Entscheidung aus Karlsruhe erwartet. Die Politik weiß also längst, dass das Bundesverfassungsgericht einer rechtlichen Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben wohl kaum im Wege stehen würde – was die Behauptung der Union, eine Gleichstellung bedinge eine vorherige Verfassungsänderung reichlich gewagt erscheinen lässt.

Die Union spielt auf Zeit. Diese Legislaturperiode wird sie sich, von der SPD nur halbherzig gedrängt, nicht mehr bewegen. Und doch: Vor allem in der CDU befürchtet man, dass ihre mannhafte Blockade schon bald von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts überholt werden könnte. Hingezogen statt hingesunken.