Wartende Flüchtlinge in einem Zelt. Foto: dpa

Flüchtlinge dürfen nach den Pariser Anschlägen nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Jede Verallgemeinerung sei „niederträchtig“, kommentiert unser stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Molitor.

Sie meinen es gut. Und sie haben recht. Alle, die nach den Pariser Anschlägen jetzt ihre Stimme erheben, um davor zu warnen, die ohnehin schon äußerst heikle Flüchtlingsdebatte mit voreiligen Verdächtigungen und unterstellten Querverbindungen zu belasten, ihnen allen darf, muss man aufmunternd zurufen: Eure Stimme verdient in Gesellschaft und Politik noch mehr Gehör.

Nein, die Hunderttausenden Flüchtlinge, die Deutschland an den Rand der Belastbarkeit – und an immer mehr Stellen auch darüber hinaus – bringen, gehören nicht unter Generalverdacht gestellt, in ihren Reihen Terroristen zu unterstützen oder einzuschleusen. Mag ihre große und weiter wachsende Zahl auch bedrohlich scheinen: Die Menschen, die als Opfer staatlichen und islamischen Terrors aus ihrer syrischen Heimat geflohen sind, verdienen es nicht, mit grausamen und verblendeten Tätern gemein gemacht zu werden. Jede Verallgemeinerung ist niederträchtig.

Umfeld aus tiefer Trauer

Aber stehen all jene damit im Unrecht , die unbestreitbar sicherheitsrelevante Fragen stellen? Nein. Auch sie haben recht und den Anspruch, nicht in einem Umfeld aus tiefer Trauer und ehrlicher Betroffenheit aus der Gemeinschaft der wehrhaften Demokraten ausgegrenzt zu werden – solange sie ohne Hintergedanken sind und zum Differenzieren bereit.

Abgesehen davon, dass es nicht funktioniert: Wie soll sich eine lenkende, handlungsfähige Politik durchsetzen, wenn sie versucht, virulente Debatten schon im Keim zu ersticken? Die das Ausklammern zur Strategie erklärt? Zwar aus anerkannt gut gemeinten Motiven, aber auch, zumindest zum Teil, mit einer hilflosen Ängstlichkeit, diese Debatte nicht mehr mit Taten und durch vorzeigbare Erfolge beherrschen zu können?

Anschlag auf uns alle

Wenn Horst Seehofer, der aus guten Gründen nervende CSU-Chef, nach den Pariser Anschlägen also fordert, dass Deutschland wieder wissen muss, wer hierherkommt und was er macht; wenn danach gerufen wird, bei der Einreise die Regeln des Gesetzes nicht länger zu ignorieren, dann ist das nicht nur legitim, sondern ein Akt staatlicher Verantwortlichkeit. Die Anschläge von Paris sind ein Anschlag auf uns alle. Sie fordern deshalb nach einer Zeit der Trauer neben Augenmaß von allen Ehrlichkeit. Wer den Terror besiegen will, muss genau hinschauen. Ohne bösen Generalverdacht, aber mit dem Mut zur unangenehmen Wahrheit.

w.molitor@stn.zgs.de