Ein Klassiker: in der Fastenzeit kein Alkohol. Doch es gibt noch weitaus mehr Möglichkeiten, bewussten Verzicht zu üben Foto: dpa

Mit dem heutigen Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Noch immer nehmen sich das viele zu Herzen, wenn auch immer seltener aus religiösen Gründen. Solche Auszeiten sind für den einzelnen und die Gesellschaft nötig, findet Redakteurin Maria Wetzel.

Stuttgart - Für Christen sind die 40 Tage bis Ostern eine besondere Periode: Durch das Fasten sollen/wollen sie sich auf das Fest der Auferstehung Jesu vorbereiten. Das Fasten hat im Christentum – wie auch in anderen Religionen – Tradition. Freitags beispielsweise sollen Gläubige auf Fleisch verzichten – in Erinnerung an den Karfreitag, den Tag der Kreuzigung Jesu. Vor Weihnachten liegen ebenfalls Fastentage zur Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu.

Auch wenn sich viele Christen nicht mehr an die strengen Regeln halten – vergessen ist das Fasten keineswegs. Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland beteiligen sich von heute an an der Aktion „Du bist schön. Sieben Wochen ohne Runtermachen“ der Evangelischen Kirche. Sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen, sondern sich selbst und den anderen mit Wertschätzung zu begegnen – wie viel Energie könnte das in der Familie, der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz freisetzen!

Auto stehen lassen oder den Fernseher ausschalten

Zum 33. Mal laden die Initiatoren der Fastenaktion zum freiwilligen Verzicht ein – mit wachsendem Erfolg. Dabei geht es vielen Teilnehmern nicht allein oder in erster Linie darum, Genussmitteln wie Alkohol, Kaffee, Nikotin oder auch Fleisch zu entsagen. Manche lassen lieber ihr Auto stehen oder den Fernseher aus, andere schalten am Feierabend ihr Handy auf stumm – oder verzichten eine Weile ganz auf das allmächtig scheinende Gerät. Indem Menschen Gewohnheiten durchbrechen, schaffen sie Raum und Zeit für sich selbst – und auch für diejenigen, die ihnen am Herzen liegen.

Menschen – ob religiös oder nicht – brauchen solche Unterbrechungen. In einer immer schnelllebigeren Welt ist es notwendig, regelmäßig durchzuatmen, innezuhalten und bei Bedarf auch die Weichen neu zu stellen. Wer das nicht kann, ist in Gefahr, krank zu werden – die Zahl der sogenannten Burn-outs steigt seit Jahren.

Deshalb mahnen zur Fastenzeit nicht nur Pfarrer, sondern auch Ärzte und Therapeuten, sich immer wieder eine Auszeit zu gönnen. Den einen mögen dabei die „Geistlichen Impulse“ helfen, die die Diözese Rottenburg-Stuttgart über das Internet verbreitet, anderen Entspannungskurse, die vielerorts angeboten werden. Aber auch Langeweile kann ein Geschenk sein.

Aus der täglichen Routine ausbrechen

Fasten ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit. Der Aufruf, aus der täglichen Routine auszubrechen und Neues auszuprobieren, ist auch ein Gegenprogramm zum „Immer mehr, immer höher, immer schneller“ in unserer Gesellschaft. Bei diesem unerbittlichen Wettbewerb bleiben viele Menschen auf der Strecke. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb einzelner Länder und auch zwischen den Ländern immer weiter auseinandergeht, bleibt das nicht folgenlos – die sogenannten Armutsflüchtlinge, die nach Deutschland drängen, sind nur eine von vielen Konsequenzen.

Während der zeitweilige Verzicht bei manchem hierzulande zu der Erkenntnis führt, dass weniger mehr sein kann, gilt für Milliarden Menschen weltweit „weniger ist leer“ – weil auf ihren Tellern schon heute viel zu wenig liegt, um satt werden zu können.

Die Wochen bis Ostern sind eine gute Gelegenheit für jeden, auch darüber nachzudenken, welche Welt er eigentlich will – und was er dafür zu tun und zu geben bereit ist. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Welt lassen sich mit einem „Weiter wie bisher“ nicht beenden. Wie schön wäre es, wenn der Aschermittwoch – Tag der Buße und in jüngerer Zeit auch der politischen Abrechnung – zu einem Tag der Umkehr würde. Damit Ostern zu einem Friedensfest für alle wird.