Am Aschermitwoch beginnt die 40-tägige christliche Fastenzeit. Foto: dpa

Fasten ist trendy: einfaches Leben, Konsumverzicht, weniger ist mehr. Viele Deutsche verzichten in der Fastenzeit – nur darf der Verzicht nicht allzu groß sein.

Stuttgart - Alle Jahre wieder beginnt mit Aschermittwoch die Fastenzeit. 40 Tage auf liebgewonnene Speisen und aufheiternde Getränke zu verzichten gilt traditionell als Symbol der Buße und spirituellen Erneuerung. Einer, der als fleischgewordener Verzicht in die Geschichte der großen Fastenden einging, ist Nikolaus von der Flüe (1417-1487), katholischer Heiliger und Patron der Schweiz.

Wie sein großes Vorbild Jesus wollte er enthaltsam leben. Von Jesus schreibt der Evangelist Matthäus: „Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger“ (Kapitel 4, Vers 2). Von Bruder Klaus ist dererlei nicht bekannt. Der Ur-Almöhi soll 20 Jahre ohne Essen und Trinken in der Einsamkeit seiner Klause gefastet haben.Der Legende nach soll er nur die Eucharistie regelmäßig zu sich genommen haben, durch deren „Genuss er eine solche Kraft, Lebensfülle und Süßigkeit fühlte, dass ihm davon im Überfluss Sättigung wurde“, wie es in einer frommen Schrift aus dem Jahre 1842 heißt.

„Simple living“

Der eidgenössische Ehemann und Vater von fünf Töchtern und ebensovielen Söhnen lebte exzessiv vor, was heute unter dem strapazierten Modewort „Simple living“ – das einfache Leben – zusammenfasst wird. Wer in der postmodernen Konsumgesellschaft freiwillig verzichten will, tut dies zwar weniger radikal wie Bruder Klaus. Aber immerhin: Verzicht, freiwillige Einfachheit, Minimalismus sind trendy. Und die Fastenzeit ist die beste Zeit, mit seinen Vorsätzen Ernst zu machen. Die Deutschen sind echte Fasten-Freaks: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage hält jeder Zweite einen kalendarischen Verzicht in der österlichen Bußzeit für sinnvoll – sei es der Gesundheit, dem Glauben oder dem Äußeren zuliebe. Bevor man in seiner Lieblingsjeans wie eine Presswurst daherkommt, hungert man sich lieber ein paar Pfunde runter.

„Weniger ist mehr“

Früher ging es beim Fasten um das Seelenheil. Heute spricht man – ganz säkular – von guten Vorsätzen. Im Prinzip bleibt es sich gleich: Ob Verzicht oder Vorsatz – man es durchziehen und ernst meinen mit dem Motto „Weniger ist mehr“. Die Deutschen haben der besagten Umfrage zufolge klare Vorstellungen, was sie reduzieren wollen: etwa Bier, Wein oder Schokolade. Den meisten Fasten-Fans fällt das offenbar nicht sonderlich schwer, weshalb ihr Fasten auch gar kein wirklicher Verzicht ist. Für das nämlich, was so richtig schwer fällt, das Online-Fasten – 40 Tage oder ein paar weniger ohne Smartphone, Computer und Spielkonsole –, kann sich nur jeder fünfte Fastenwillige begeistern. Bei den unter 30-Jährigen sind es gerade mal läppische zwölf Prozent, die eine Zeit lang offline bleiben wollen.

„Man bist du dick, Mann“

Der größte Feind des Fastens ist die „Aufschieberitis“, gerne auch als guter Vorsatz getarnt. Man sieht sich jeden Tag im Spiegel und denkt: „Man bist du dick, Mann!“ Oder man hängt auch nach der Arbeit noch stundenlang am Computer rum, obwohl digitale Abstinenz viel sinnvoller wäre. Eigentlich wissen wir ganz genau, dass zu hoch gesteckte Ziele und übertriebene Erwartungen zum Scheitern verurteilt sind. Zu glauben, man könne Angewohnheiten mit einem Schlag oder zu einer bestimmten (Fasten)Zeit loswerden, grenzt fast schon an Selbstbetrug.

„Schönheit des Leibs wird viel beacht’t und ist dahin doch über Nacht“

Diesen Vorwurf kann man der anderen Bevölkerungshälfte (die es laut Forsa-Umfrage ja auch noch gibt) nicht machen. Sie halten weder etwas vom Fasten und von der Askese noch von Schönheitsidealen und Traummaßen. Selbstbewusst befolgen sie den Rat des „Narrenschiffs“, einer mittelalterlichen Moralsatire: „Schönheit des Leibs wird viel beacht’t und ist dahin doch über Nacht.“ Ist es nicht gerade das Eigenwillige und Einmalige, was „Schönheit“ ausmacht? Auch mit ein paar Pfunden oder PC-Stunden zuviel?