AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen auf seinem Platz im baden-württembergischen Landtag: Der umstrittene Abgeordnete Wolfgang Gedeon wird künftig nicht mehr in den Reihen der AfD sitzen. Foto: dpa

Wie viel undemokratischen Geist duldet die Alternative für Deutschland in ihren Reihen? Der Rückzug des Abgeordneten Wolfgang Gedeon aus der Fraktion lässt die Antwort in der Schwebe. Doch Klarheit tut not, kommentiert Rainer Pörtner.

Stuttgart - Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen ist einer schweren politischen Niederlage knapp entkommen. Für seinen Antrag, den Abgeordneten Wolfgang Gedeon wegen antisemitischer Äußerungen aus der Fraktion werfen zu lassen, zeichnete sich keine hinreichende Mehrheit ab. Wäre es zur Abstimmung gekommen und Meuthen hätte verloren, wäre dies ein Desaster für ihn persönlich wie für die ganze AfD geworden. Er hätte nur noch als einfacher Abgeordneter im Landtag gesessen, die Partei wäre schwer beschädigt worden.

Nun lässt Gedeon seine Mitgliedschaft in der baden-württembergischen Landtagsfraktion vorläufig ruhen. Mit wissenschaftlichen Gutachten soll geklärt werden, wieweit die umstrittenen Textpassagen in Gedeon-Büchern den Tatbestand des Antisemitismus wirklich erfüllen. Wiedervorlage des Ganzen im Herbst. Ein vollständiges Zerwürfnis, gar eine Spaltung hat die AfD damit vermieden. Aber mehr auch nicht. Der Konflikt ist vertagt, nicht gelöst.

Meuthen wollte klare Kante zeigen

Jörg Meuthen hatte die Sprengkraft des Falles Gedeon erkannt. Eine Partei, die Antisemitismus, Rassismus oder Missachtungen der Menschenrechte in ihren Reihen duldet, ist keine bürgerlich-konservative, sondern eine rechtsextremistische Partei. Sie stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses. Deshalb wollte Meuthen klare Kante zeigen. Der Rückzug Gedeons entlässt die AfD vorläufig aus der Verpflichtung, eindeutig zu sagen, wie viel Ungeist sie in ihren Reihen duldet. Notwendig bleibt eine Klärung gleichwohl, wenn die Partei dauerhaft wählbar bleiben will für verfassungstreue, bürgerlich-geprägte Menschen.

Missgunst, Sprachlosigkeit, Führungschaos

Der inhaltliche Konflikt Meuthen/Gedeon wurde in den letzten Tagen vermengt mit Machtkämpfen innerhalb der AfD-Bundesspitze. Dort herrschen Missgunst, Sprachlosigkeit, Führungschaos. Der Fall Gedeon wurde jetzt auf eine Art und Weise gelöst, die Parteichefin Frauke Petry ausdrücklich unterstützt hatte – in offener Konfrontation zu Meuthen. Die beiden AfD-Bundesvorsitzenden waren schon vorher durch intensive wechselseitige Abneigung miteinander verbunden. Dies dürfte sich nun weiter verschärfen.

Die AfD ist zurzeit inhaltlich wie personell ein schillerndes Gebilde: eine Partei auf der Suche nach ihrer Identität. Eine Abspaltung hat sie bereits hinter sich – den Abgang der eurokritischen Gründertruppe um Bernd Lucke. Der anhaltende Streit darum, wer ihre Führungsfiguren sein sollen und ob sie eine Heimat für Extremisten sein will, könnte zu einer weiteren Spaltung führen.