Streit-Auslöser Wolfgang Gedeon – um die Sache geht es längst nicht mehr Foto: dpa

Die AfD zerfleischt sich selbst statt Opposition zu betreiben. Schade eigentlich. Eine ketzerische Haltung gegenüber den verbreiteten politischen Glaubensgrundsätzen täte Deutschland gut, meint unser Kommentator Rainer Wehaus.

Stuttgart - Vor drei Monaten war Landtagswahl, vor sieben Wochen begann in Stuttgart die neue Legislaturperiode. Wer aber auf der Internetseite des Stuttgarter Landtags die AfD sucht, der sucht vergebens. Die neue, immerhin drittstärkste Fraktion im Landesparlament hat noch immer keinen Internetauftritt zustande gebracht. Man hört und liest, die AfD sitze im Landtag, aber man merkt es nicht. Außer ein paar kleinen Anfragen einzelner Abgeordneter hat die Fraktion noch nichts Konstruktives geleistet. In Plenardebatten stolpert die Fraktion unvorbereitet hinein – ohne die Regeln und die Rederechte zu kennen.

Meuthen wirkt überfordert

Nun ist aller Anfang schwer. Die Frage aber ist, wie man die Dinge angeht. Und da verheißt der Start der AfD nichts Gutes. Das Aushängeschild der Partei, Jörg Meuthen, hat es bislang nicht einmal ansatzweise hinbekommen, aus den 23 Mitgliedern seiner Fraktion eine Einheit zu formen. Ganz im Gegenteil: Meuthen wirkt überfordert. Vielleicht liegt es an seinen vielen Posten – neben der Fraktion muss er sich ja auch noch um die Landes- und die Bundespartei kümmern. Vielleicht aber ist er vom Typ her auch keiner, der eine Mannschaft bilden und führen kann. Dass sich die Fraktion nach nur wenigen Wochen fast zerlegt hat, ist jedenfalls ein schlechtes Arbeitszeugnis.

Petry hat Recht

Frauke Petry, die sich mit Meuthen den AfD-Bundesvorsitz teilt, hat Recht: Meuthen hätte den Fall des Singener Abgeordneten Wolfgang Gedeon besser managen müssen. Gedeons Bücher sind lange bekannt. Ihr Inhalt ist zwar schräg und zum Teil grenzwertig, aber nicht so dramatisch, dass man gleich den Notstand hätte aufrufen müssen. Die Staatsanwaltschaft Konstanz sah jedenfalls keinen Verdacht auf Volksverhetzung.

Der Machtkampf geht weiter

Um Inhalte geht es allerdings gar nicht mehr. Der Fall Gedeon ist zur Machtprobe zwischen Meuthen und Petry geworden. Und diese Machtprobe ist noch immer nicht entschieden. Zwar entschärfte Gedeon am Dienstag die Lage, indem er ankündigte, seine Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion bis auf weiteres ruhen zu lassen. Aber im September wird der Fall neu aufgerufen. Gleich drei Gutachten sollen bis dahin die Frage klären, ob Gedeons Schriften antisemitisch sind.

Die Wähler schütteln den Kopf

Die Wähler der AfD werden darüber nur den Kopf schütteln. Sie haben die Partei nicht gewählt, damit die führenden Köpfe sich bekriegen. Die AfD ist angetreten, um den etablierten Parteien Beine zu machen und eine politische Lücke zu füllen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durch ihren Linksruck entstehen ließ. Merkels Politik in Sachen Euro und Energiewende kann man mit guten Argumenten ebenso angreifen wie Merkels Flüchtlingspolitik, die inzwischen offenbar nicht mal Merkel selbst mehr gut findet. Sonst würde sie anders agieren.

Auf dem Weg in die Versenkung

Wenn die AfD so weitermacht, wird sie wie die Piratenpartei bald wieder in der Versenkung verschwinden. Den etablierten Parteien wird das aber wenig helfen. Sie werden die Wähler der AfD nur zurück erobern können, wenn sie ihre Politik ändern. Die Wähler der AfD sind in ihrer Mehrheit ja keine dumpfen Fremdenhasser. Der Vorwurf des Rassismus, der momentan auf fast schon lächerlich-inflationäre Weise gegen Andersdenkende eingesetzt wird, trifft die Sache nicht.

Echte Ketzer gesucht

Viele Wähler der AfD sind einfach gegen eine Politik, die ihrer Ansicht nach nur angeblich sozial, nur angeblich menschlich und nur angeblich ökologisch ist. Ja, das ist provokant. Rückständig aber ist es nicht. Eine ketzerische Haltung gegenüber den verbreiteten politischen Glaubensgrundsätzen täte Deutschland gut. Dazu bräuchte es in den Parlamenten aber eine echte Alternative – und keine blutige und selbstverliebte Anfänger.