Maaßen (l.) wird Seehofers Staatssekretär, plus Gehaltserhöhung Foto: dpa

Die dreiste Beförderung Maaßens schadet neben Seehofer und Merkel auch SPD-Chefin Nahles, kommentiert unser stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Molitor.

Stuttgart - Nun empören sich alle wieder. Die versammelte Opposition erwartbar wie zwangsläufig, die Anti-Koalition-Bewegten in der SPD mit kaum verhohlener Schadenfreude. Dabei hat Schwarz-Rot im Entsorgungsfall Maaßen nur das getan, was in der Politik meistens getan wird, wenn die Hütte brennt: Man hat das Feuer gelöscht, ohne sich um den Wasserschaden zu kümmern.

Die Ausgangsfrage hieß ganz am Ende nicht: Was passiert mit Maaßen? Längst ging es im Clinch der Bündnispartner ja nicht mehr um Abwägung von Argumenten oder Versuche einer inhaltlichen Bewertung. Worum es ging, ließ sich auf dem allerletzten Streckenstück jener Disputkette, die (mal wieder) bis an die Drohung des Koalitionsbruchs ging, in ein einziges Wort fassen: Gesichtswahrung. Was bedeutet, dass jeder nur noch auf sich sieht und dabei leicht den Blick fürs Große und Ganze verliert.

Alle wollten nur eins: Ihr Gesicht wahren

Horst Seehofer also sollte sein Gesicht wahren, nachdem er sich als Bundesinnenminister und oberster Dienstherr vorbehaltlos und vertrauensvoll hinter Maaßen gestellt hatte. Angela Merkel musste ihr Gesicht wahren, in dem sie als Kanzlerin eine kraftlose Richtlinienentscheidung herbeiführte, die die Koalition nicht zerbrechen ließ. Und Andrea Nahles musste ihr Gesicht wahren, weil sie sich mit ihrem Maaßen-Njet so weit aus dem roten Fenster gelehnt und kompromisslos festgelegt hatte, dass alles andere als die Ablösung des Verfassungsschutzpräsidenten den SPD-Auszug aus der Koalition hätte bedeuten müssen.

Was dabei herauskam, ist eine einzige Provokation. Eine Tunnelblicklösung, die das Trio zufriedenstellt, ohne dass es nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet hätte, was diese für das politische Klima, ja man darf sagen für die demokratische Kultur in diesem Land bedeutet. Mögen es die Abgezockten in der Koalition lächelnd Pragmatismus nennen: Was da in Berlin passiert ist, gehört in die unterste Schublade parteipolitischer Verantwortung und schadet der Großen Koalition schwer.

Nahles ist fast naiv in Seehofers Falle gelaufen

In brutaler Offenheit hat Seehofer allen vorgeführt, wie Machtpolitik kalt funktioniert und Rache süß genossen wird. Der CSU-Chef ließ Maaßen – so wie von Nahles ja ultimativ gefordert – fallen, um ihm umgehend einen im Jahr um rund 30 000 Euro besser bezahlten Job als Staatssekretär in seinem Ministerium zuzuschanzen. Dass Seehofer dafür mit Gunther Adler obendrein ein geachteter SPD-Staatssekretär mit 55 Jahren in den einstweiligen Ruhestand versetzen musste, ist das weiß-blaue Sahnehäubchen einer zynischen Strategie, die auf die zerstörerische Kraft der Rücksichtslosigkeit setzt.

Andrea Nahles ist Seehofer fast naiv in die Falle gelaufen. Gut möglich, dass sich der Fall Maaßen in der SPD zu einer veritablen Vertrauens- und Führungskrise ausweitet. So hilflos, kleinlaut, ja überrumpelt hat man die burschikose Partei- und Fraktionschefin selten gesehen. Der Vorwurf, die Lage völlig falsch eingeschätzt zu haben, wiegt in der Tat schwer. Ihr Versuch, Maaßens Ablösung als oberster Verfassungsschützer als Erfolg zu verkaufen, muss fehlschlagen. Die Folgen sind vor allem für die aufgeraute SPD nicht abzusehen.

Eines aber gilt abseits aller Parteizuckungen als sicher: Das Maaßen-Spektakel ist dazu geeignet, eine Koalition, die sich selbst die Maske vom Gesicht reißt, in einer ohnehin aufgeheizten politischen Stimmung weiter zu destabilisieren. Mögen Merkel, Nahles und Seehofer im Raumschiff Berlin die ehrliche Empörung im Land nicht verstehen – doch spätestens jetzt steht der Fall Maaßen für die schmutzige Seite der Politik.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de