Erstmals hat ein Schiff den erweiterten Panamakanal durchquert. Doch der Welthandel schwächelt, für den das Megaprojekt ein Symbol ist. Weltweit sind Kräfte am Werk, welche die ihn treibende Globalisierung in Frage stellen, schreibt Andreas Geldner.
Stuttgart - Was hat der Brexit mit der Eröffnung des Panamakanals zu tun? Genau genommen sind die beiden fast gleichzeitigen Events zwei Seiten derselben Medaille. Das Projekt in Mittelamerika, das jetzt nach zehn Jahren Bauzeit eingeweiht wurde, ist dem Optimismus über die immer intensivere weltweite wirtschaftliche Vernetzung. Der Brexit ist das bisher spektakulärste Symbol für eine angstbesetzte Gegenbewegung, die insbesondere die Weltregionen erfasst, die einst wirtschaftliche Gewinner waren – und sich nun von neuer Konkurrenz bedroht sehen. Es ist insofern ein passendes Symbol, dass als erstes ein chinesisches Schiff von karibischer Seite aus mit 9000 Containern an Bord durch die neuen Schleusen in den Kanal einfuhr. „Dies ist die Route, die die Welt vereint“, sagte der panamaische Präsident Juan Carlos Varela. Doch schon die schwierige Baugeschichte ist ein Menetekel. Eigentlich hätte die rund 4,7 Milliarden Euro teure Erweiterung schon 2014 fertig sein sollen. Zudem sind Forderungen von mehr als drei Milliarden Dollar offen. Forderungen offen, die sich auf mehr als drei Milliarden Dollar belaufen könnten. Die Eröffnung kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Niedriger des Ölpreises, weniger Wachstum in China und eine Reihe anderer Gründe haben die Schifffahrt, Symbol der Globalisierung, in eine Krise gestürzt. Der Suez-Kanal in Ägypten musste vor kurzem seine Gebühren drastisch senken, um die Auslastung zu verbessern. Nun hat es schon immer solche Krisen gegeben. Der weltweite Handel ist zyklisch und hat oft stärkere Schwankungen als die globale Konjunktur insgesamt.
Der freie Handel ist keine Selbstverständlichkeit
Trotzdem erinnert der auf einmal etwas überdimensioniert wirkende Kanal daran, dass der freie Handel keine Selbstverständlichkeit ist. Auch in den USA, dem wichtigsten Zielmarkt für die Schiffsladungen, haben Kandidaten wie Donald Trump bei den Republikanern und Bernie Sanders bei den Demokraten die US-Vorwahlen mit teils radikalen Parolen wider den Freihandel geprägt – und damit auch die gemäßigte Hillary Clinton dazu gezwungen, sich von der einst bejubelten Freihandelspolitik ihres Mannes Bill zu distanzieren. Auch wenn es die protestierenden in Europa noch nicht ganz gemerkt haben. Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist schon eine Weile mausetot: Es ist inzwischen klar, dass der US-Befürworter Barack Obama es bis zu seinem Abschied nicht mehr über die Bühne bringen kann. Die Präsidentschaftskandidaten beider US-Parteien lehnen es aber ab. Sollten die Schleusen des neuen Panamakanals leerer bleiben als vorhergesagt, stehen sie nicht für die Fehlplanung eines einzelnen Landes, sondern sind ein Symbol für einen höchst problematischen, globalen Trend.