US-Präsident Barack Obama hat sich viel vorgenommen für sein letztes Amtsjahr. Foto: AP

2016 ist für die US-Politik vor allem eins: das Wahljahr. In einem Jahr kommt ein neuer Präsident im Weißen Haus. Doch der Amtsinhaber will es noch einmal wissen. Bisher gelingt es Barack Obama nicht, mit seinen Erfolgen zu punkten, kommentiert Thomas Spang.

Washington - Vor acht Jahren zu dieser Zeit diskutierten Kolumnisten die Frage, ob Barack Obama, dieser charismatische Jung-Senator aus Illinois, denn auch etwas anderes könne als mitreißend zu reden. Heute fragen sich umgekehrt nicht wenige Meinungsmacher, warum er seine Errungenschaften so schlecht verkauft. Noch immer ist der amerikanische Präsident ein Paradox. Geliebt von seinen Anhängern, die in ihm das Versprechen eines anderen, weniger testosterongesteuerten Politikstils schätzen. Verachtet von seinen Kritikern, die den Friedensnobelpreisträger für einen Waschlappen halten. Richtig glücklich mit ihm sind im siebten Amtsjahr nur noch wenige.

Donald Trump zapft bei den Vorwahlen dieses Unbehagen, das aufseiten der Republikaner extrem ausgeprägt ist, geschickt und großmäulig an. Denn mehr als acht von zehn US-Konservativen sind höchst verärgert – nicht nur über Obama, auch über die nicht eingelösten Versprechen der republikanischen Kongressführer und überhaupt. Dabei gibt es dafür nur sehr wenig Gründe. Hat Obama die USA 2009 nicht vor dem Absturz in eine Depression bewahrt? Hat er nicht die Arbeitslosenquote auf fünf Prozent halbiert und damit fast Vollbeschäftigung geschaffen?

Gut und schön. Doch die Republikaner bringen gesellschaftliche Veränderungen, die ihnen der Präsident gebracht hat, auf die Barrikaden. Angefangen bei der Jahrhundertreform des Gesundheitswesens über den Abzug der Kampftruppen aus dem Irak und Afghanistan bis zu dem Klima-Deal in Paris. Nicht zu vergessen die kulturellen Umbrüche wie die Anerkennung der Homo-Ehe durch das Verfassungsgericht. Die Demokraten bemängeln dagegen, was der Reformer im Weißen Haus nicht geschafft hat: den Schandfleck Guantánamo zu schließen, strengere Waffengesetze durchzusetzen und härter gegen die Wall Street vorzugehen.

2015 war eines der produktivsten Jahre Obamas

Dabei war 2015 eines der produktivsten Jahre dieser Präsidentschaft. Obama sorgte für Tauwetter in den Beziehungen zu Kuba, setzte das Atomabkommen mit dem Iran gegen massiven Widerstand durch und schaffte es kurz vor Jahresschluss, im Weltsicherheitsrat eine Syrien-Resolution einstimmig beschließen zu lassen. Verglichen mit der traurigen Bilanz seines Vorgängers George W. Bush kann sich das sehen lassen. Dass Obama es nicht schafft, seine Erfolge zu vermitteln, ist das eigentlich Überraschende seiner Präsidentschaft. Könnte er seine Politik so an den Mann bringen, wie er regiert, stünde er im öffentlichen Ansehen sehr viel besser da. Aktuellstes Beispiel: die Rückeroberung der strategisch bedeutsamen Stadt Ramadi aus IS-Händen. Während ihm Kritiker als Schwäche vorhalten, dass Obama nicht bei jeder Gelegenheit beißt, beweist er im Hintergrund ein Rückgrat aus Stahl. Und das wird er in den verbleibenden elf Monaten seiner Präsidentschaft gut brauchen können.

Wie auch immer: Der Präsident wird nach dem Terror von Paris und San Bernardino mehr tun müssen, um seinen Landsleuten das Gefühl der Unsicherheit zu nehmen. In einer Gesellschaft, die unter einem kollektiven Aufmerksamkeitsdefizit leidet, erweist sich Obamas Kommunikationsstrategie als unzureichend. Seine Kritiker wird er nach sieben Jahren nicht mehr überzeugen können. Aber der Präsident hat jede Chance, die Zauderer für seinen Kurs zu gewinnen. Je länger Trump das Feld der republikanischen Bewerber um seine Nachfolge dominiert, desto besser könnte Obama diese 2016 nutzen. Die „State-of-the-Union“-Rede am 11. Januar gibt ihm vielleicht die letzte Gelegenheit, vor vielen Millionen Zuschauern eine positive Vision ein modernes Amerika zu entfalten und sein Erbe zu sichern.

politik@stn.zgs.de