Ein deutscher Soldat bildet in Koulikoro (Mali) einen Pionier der malischen Armee bei der Minensuche aus. Die European Training Mission Mali (EUTM Mali) soll dazu beitragen, die militärischen Kapazitäten der malischen Streitkräfte wiederherzustellen. Die Bundeswehr unterstützt diese Mission mit 102 Soldaten. Foto: dpa

Die Debatte um einen höheren Wehr-Etat greift zu kurz, findet der Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Christoph Reisinger.

Die Kanzlerin ist dagegen, drei Viertel der kürzlich befragten Deutschen auch. Es sieht also schlecht aus für die Forderung der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ihren Etat zu erhöhen.

Wozu ganz nüchtern zu sagen ist: Gemessen an dem, was Deutschland in den vergangenen Jahren sicherheitspolitisch geleistet hat, sind die derzeit rund 32 Milliarden Euro pro Jahr eher zu viel. Wobei das Problem kaum einmal in der Qualität deutscher Beiträge für Truppen der UN, Nato oder EU liegt, sondern in der großen öffentlichen Wurstigkeit, die Einsätze der Bundeswehr regelmäßig begleitet.

Am Anfang, weil der Bundestag zwar ausgiebig debattiert, aber kaum einmal klar benennt, was genau verteidigt werden soll und wie er Erfolg definiert. Im Verlauf der Einsätze dann, weil deren Ergebnisse in Deutschland nur so weit zur Kenntnis genommen werden, wie sie den innenpolitischen Betrieb und die nächste Mandatsverlängerung nicht stören.

Es hat in Berlin nicht interessiert, dass im Kosovo auf die Vertreibung der Albaner die Vertreibung der Serben folgte – unter den Augen der Nato-Truppe Kfor und damit auch der Bundeswehr. Die inflationären Bekenntnisse deutscher Politiker, man werde das afghanische Volk nicht im Stich lassen, entpuppen sich seit Monaten als Phrasen. Und dass im vergangenen Mai die auch von Bundeswehr-Ausbildern gedrillten malischen Truppen in einen idiotisch geführten Großangriff auf Tuareg-Rebellen im Norden des Landes geschickt und schwer geschlagen wurden, bleibt in Deutschland ohne jede Konsequenz. Mission verstärken? Mission abbrechen?

Lieber schweigt die Regierung dieses Fiasko tot, und das Parlament fragt nicht danach. Trotz all der Steuergelder, die auch in diesen Einsatz fließen. Trotz der Tragödien vor Europas Mittelmeerküste, denen häufig ein Flüchtlings-Transit durch Malis Rebellengebiete vorangeht.

Das falscheste Signal in Sachen Wehretat geht also von der Kanzlerin aus: dass alles am besten unverändert bliebe. Wenn Deutschland sicherheitspolitisch weiter so wenig bewirken will, spricht alles für eine massive Verkleinerung der Bundeswehr. Freilich um den Preis, dass die Exportnation immer weniger Einfluss auf die lebensnotwendige Stabilität ihres Umfeldes hat. Schließlich wird, wer militärisch handlungsunfähig ist, abhängig vom Freund und erpressbar durch den Feind. Wer das nicht glauben will, schaue derzeit einfach auf Osteuropa.

Wenn aber zum Beispiel gelten soll, was die Nato vergangene Woche auf ihrem Gipfel mit Merkels Zustimmung beschlossen hat, dann muss sich Deutschland aufraffen und fokussieren: darauf, wie es seine Sicherheit und seine Interessen definiert. Und wie sie am besten zu schützen sind. Wobei das Militär ja immer nur eine allerletzte Rückversicherung in der möglichst großen Bandbreite der Außenpolitik sein darf.

Das führt dann automatisch zu den richtigen Erkenntnissen: dass es angesichts von aktuell fünf Kriegen in Nähe zur EU fahrlässig ist, die Bundeswehr kaputtzusparen. Dass ihre Modernisierung mehr Tempo – und das heißt leider auch mehr Geld – braucht. Dass manche Weichenstellung der vergangenen Jahre, etwa die massive Verringerung der Feuerkraft von Heer und Marine sowie der Verlust an Durchhaltefähigkeit, dringend der Korrektur bedarf.

Auf der Basis solcher Erkenntnisse ließe sich konkret und sinnhaft über einen höheren Wehretat reden. Anders nicht.