Rotenberg (links) versinkt an Wochenenden im Verkehr Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Im Rotenberger Verkehrschaos offenbart sich die Rücksichtslosigkeit innerhalb unserer Stadtgesellschaft, sagt unser Kommentator Michael Deufel.

Stuttgart - König Wilhelm I. hat einst seiner verstorbenen Frau, Königin Katharina, auf dem Württemberg eine Kapelle gebaut – weil der Hügel der Stammsitz der Württemberger war, weil die beliebte Monarchin auch im Tod auf ihre Untertanen blicken sollte. Vielleicht auch, weil er die Beschaulichkeit dort oben geschätzt hat – ideal für ihre, für seine letzte Ruhestätte. Hätte er geahnt, was sich gut 200 später dort oben abspielt, hätte er seine Pläne womöglich überdacht. Von Ruhestätte kann keine Rede sein. Tausende Erholungsuchende tummeln sich an schönen Tagen lärmend auf dem Württemberg und finden – selber schuld – kaum Erholung. Einen gut Teil der Zeit kurven sie durch Rotenberg auf der Suche nach einem Parkplatz, versperren Einfahrten, Bürgersteige, Feldwege.

Inzwischen rebellieren die Rotenberger – in mancher Hinsicht zu Recht. Touristikdirektor Armin Dellnitz spricht von einem punktuellen Problem und argumentiert: Wer in attraktiver Lage wohnen darf, muss einmal die Woche ein paar Hundert Ausflügler ertragen können. Die Grabkapelle ist eine Attraktion, von der Stuttgart über die Stadtgrenzen hinaus profitiert. Der Sicht von Dellnitz kann man also folgen, solange alles geregelt vonstatten geht. Doch das ist in Rotenberg längst nicht mehr der Fall. Sich auf der Hauptstraße des Ortes zu bewegen gleicht für Fußgänger und Radler einem Sicherheitsrisiko. Ein Rätsel, wie hier im Notfall ein Rettungswagen durchkommt.

Nicht die Auswärtigen, ihre Autos müssen raus aus Rotenberg. Sei es, indem Pendelbusse verkehren, sei es, dass die verrückte, aber charmante Idee einer Seilbahn Wirklichkeit wird. Die Debatte dazu ist eröffnet, sie muss rasch zu einem Ergebnis im Sinne von Rotenbergern und Ausflüglern führen.

Es wäre allerdings verfehlt, den Fall Rotenberg isoliert zu betrachten. Denn hier werden erneut die widerstreitenden Interessen einer Stadtgesellschaft offenbar. Erinnert sei an das Mega-Einkaufszentrum Milaneo, wo seit der Eröffnung Kunden angrenzende Wohngebiete zuparken, um Parkgebühren zu sparen. Aber Hand aufs Herz, manche, die in Rotenberg oder am Milaneo Klage führen, viele, die Auto fahren, agieren – weit genug entfernt von der eigenen Hautüre – oft genug rücksichtslos. Hinterfrage sich jeder, wann er sich zuletzt in seinen Wagen gesetzt hat, obwohl er genauso gut anders von A nach B gekommen wäre, wie oft er als Autofahrer aus Bequemlichkeit Mitmenschen behindert hat.

Immer mehr Autos verbunden mit Ignoranz und Egoismus sind nicht nur in der Stadt des Automobils zum großen Problem geworden. Die Bürger müssen umdenken, sonst wird Oberbürgermeister Fritz Kuhn den Kampf gegen den Verkehrskollaps verlieren – mit allen Folgen.