Nichts geht mehr – der Stau hat nicht nur den Südwesten fest im Griff. Foto: dpa

Jeder kennt ihn, jeder haßt ihn: den Stau. Nie gab es so viel Verkehrsstillstand wie im vergangenen Jahr, vor allem im Südwesten. Das wird nicht besser, kommentiert Christian Gottschalk. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Stuttgart - Wer regelmäßig die A8 befährt oder die A 81, der muss sich über die neueste Statistik aus dem Hause des ADAC nicht wundern. Nie gab es in Deutschland so viele Staus wie im vergangenen Jahr. Die beiden Autobahnen, die am Stuttgarter Kreuz aufeinander treffen, sind dabei nur ein Exempel. Wer dort vor sich hin staut und das Radio angeschaltet hat, der hört, dass es in weiten Teilen der Republik nicht anders ist. Egal ob Langenfeld in Nordrhein-Westfalen oder Augsburg in Bayern, gestaut wird überall.

Der Ärger darüber ist groß, der Ruf nach Änderungen berechtigt. Doch die wird es nicht geben. Zwei Gründe haben die Forscher dafür ausgemacht, dass auf den Schnellstraßen oft gar nichts geht. Baustellen, und eine stete Zunahme des Verkehrs. Gegen ersteres wird auf absehbare Zeit wohl kaum ein Kraut gewachsen sein. Viele Straßen sind in einem maroden Zustand. Sie zu richten ist richtig und wichtig. Und auch der Straßenausbau funktioniert nicht ohne Arbeiter und Maschinen. Da lässt sich vielleicht einiges effizienter gestalten, grundsätzlich ändern lässt es sich aber nicht. Gleiches gilt für das Plus am Verkehr.

Arbeitswelt und Wettbewerb befördern den Stau

Die Gesellschaft ist beschleunigter und um ein vielfaches dynamischer als noch vor wenigen Jahrzehnten. Sie ist beweglicher – und das funktioniert nicht ohne Verkehr. Flexibilität am Arbeitsplatz wird allenthalben gefordert, und erzeugt Pendlerströme. Wettbewerb wird hoch gelobt, und erzeugt Einkaufsverkehr. Wer drei Möbelhäuser besucht, bevor er sich für den Kauf einer Couchgarnitur entscheidet, der ist auch drei mal auf der Straße. Wer seine Waren online bestellt, der bestellt sich die Kleinlastwagen. Die stehen dann auch im Stau.

Natürlich gäbe es Mittel dagegen anzukämpfen. Die sind aber, sobald man den Bereich der Sonntagsreden verlässt, überaus teuer in der Umsetzung. Wer die Straßen freier haben möchte, der muss den öffentlichen Nahverkehr stärken. Das bedeutet im Klartext: mehr Verbindungen zu günstigeren Preisen. Paradox: ausgerechnet in der Stauregion Stuttgart geschieht gerade das Gegenteil.

Vernünftige Lösungen wieder abgeschafft

Wer von Esslingen oder Ludwigsburg zum Stuttgarter Hauptbahnhof möchte, der bezahlt 4,20 Euro. Wer das von Sindelfingen aus vor hat muss gar 5,30 Euro berappen. Besteht der Wunsch, auch wieder nach Hause zu kommen, verdoppelt sich der Betrag. Ist man als Pärchen unterwegs, wird es noch mal um fast 100 Prozent teurer, die Minimalrabatte schlagen kaum zu Buche. Da ist es nicht abwegig, sich ins Auto zu setzen, Stau auf dem Hin- und Rückweg zu produzieren, und Parkplatzsuchverkehr, um die Parkhauskosten zu minimieren. Vernünftige Errungenschaften wie das Halbe-Preis-Ticket beim Feinstaubalarm sind ebenso abgeschafft worden wie das am Automaten ziehbare Kombiticket, wenn Veranstaltungen besucht werden. Mit einer vernünftigen Anti-Stau-Politik hat das nichts zu tun.