Josef Schunder, stellv. StN-Ressortleiter Lokales Foto: STN

Wenn an Bernd Klingler Schuld hängen bleibt, muss er gehen – kommentiert Josef Schunder, stellvertretender StN-Ressortleiter Lokales, im Leitartikel den jetzt vorliegenden Strafbefehl gegen den früheren FDP-Fraktionssprecher im Gemeinderat.

Stuttgart - In die Hängepartie um den Ex-Fraktionschef der FDP im Rathaus kommt Bewegung. Endlich. Rund neun Monate warteten der Beschuldigte Bernd Klingler und die Öffentlichkeit auf das Signal der Staatsanwaltschaft, ob was dran sein könnte an den Vorwürfen gegen ihn.

Das ist lang. Sehr lang. Zu lang. Selbst wenn man wohlwollend berücksichtigt, dass die Staatsanwaltschaft so eine Dauer nicht für ungewöhnlich hält und dass die Anklagebehörde nicht üppig besetzt ist. Aber es geht immerhin um Steuergelder, die in diesem Fall der FDP von der Stadt überlassen wurden. Um die Glaubwürdigkeit des Gemeinderats. Und das Rathaus, in dem die Affäre Klingler spielt, steht nicht irgendwo in einem Dorf, sondern in der Landeshauptstadt. Da Klingler die Klärung vor Gericht dem Strafbefehl wohl vorzieht, wird man zwar weiter warten müssen. Immerhin kam man der Lösung näher. Bis zum rechtskräftigen Ende kann auch Klingler als unschuldig gelten. Die Strenge des Strafbefehls ist aber überraschend. Es ist nicht abwegig, das als Anzeichen zu werten, dass die Ermittler wirklich Triftiges gefunden haben – auch wenn der Beschuldigte eine Aussagemöglichkeit bei der Staatsanwaltschaft vermisste und jetzt am Rechtssystem zweifelt.

Klingler muss auf Risiko spielen

Die Lage für ihn ist verzwickt. Eine Geldauflage hätte er wahrscheinlich akzeptieren können und sich dann so erklärt, dass er sich pragmatisch weiteren Ärger erspare. Die Kombination mit der Bewährungsstrafe zwingt ihn förmlich zu einem Einspruch, wenn er ein Mindestmaß an Integrität retten will. Er muss auf Risiko spielen. Mit seinen Unschuldsbeteuerungen hat Klingler die Latte sehr hoch gelegt. Das heißt aber auch, dass er das Rathaus verlassen muss, sollte auch nur das Geringste an ihm hängen bleiben. Da tut es dann nichts zur Sache, dass er von Rechts wegen auch nach einer Verurteilung Stadtrat bleiben könnte: weil die (finanzielle) Untreue, um die es hier geht, ein Vergehen ist, kein Verbrechen.

Wenn Klingler geht, fällt der Sitz, den ihm vermutlich vor allem FDP-Wähler verschafft hatten, an die FDP-Fraktion zurück. Die wird wieder zur Fraktion, die AfD schrumpft dann zur Gruppe. Das bedeutet keine Umkehrung der komplizierten Mehrheitsverhältnisse im Rathaus. Daher meinen manche, die Sitzverteilung in den Ausschüssen erneut an die veränderten Fraktionsverhältnisse anzupassen, sei nur lästig. Aber aus Gründen der politischen Hygiene ist es trotzdem wünschenswert. Fraktionen kassieren für Personal und Werbung mehr Geld als kleine Gruppen. Die AfD würde also davon profitieren, wenn Klingler eine Bestrafung aussitzen und im Gemeinderat bleiben würde. Gerade die AfD muss aber nicht ungerechtfertigt begünstigt werden. Eine Gruppe, die gern mal zündelt und populistische Aufführungen veranstaltet.

j.schunder@stn.zgs.de