Peschmerga-Kämpfer ergreifen die Waffen gegen die IS-Terroristen. Foto: dpa

Der Westen steht in der Pflicht, im Kampf gegen die IS-Terroristen mit Waffenlieferungen zu helfen, sagt Politik-Redakteur Winfried Weithofer.

Reflexhaft erfolgt der Fingerzeig in Richtung USA, wenn es um die Frage des Schuldigen an der irakischen Malaise geht. Es ist richtig: Amerika hat sich an dem arabischen Land schwer versündigt. Vor knapp drei Jahren haben die letzten US-Truppen auf Druck Bagdads das Land verlassen. Zurück blieb politisches Chaos. Der Krieg von 2003, das zeigt die irakische Tragödie in diesen Wochen endgültig, hat nichts zum Besseren bewegt. Im Gegenteil: Er hat den Boden bereitet, aus dem neues Unheil entstehen konnte.

Entsetzlich ist das Leid derjenigen, die vor den terroristischen Horden fliehen. Zehntausende sitzen im Gebirge fest, immer in der Angst, abgeschlachtet zu werden von den Terrortruppen des Islamischen Staats (IS). Die Menschen brauchen dringend Hilfe, mit Schuldzuweisungen und rückwärts gewandten Debatten ist ihnen nicht gedient. Gefragt sind jetzt die, die schnell und effektiv helfen können.

Dazu gehört Deutschland, auch wenn die Politik von seinem Selbstverständnis her nicht auf Interventionismus gepolt ist. Es ist aber nicht mehr 2003 – die Welt hat sich weiter gedreht. Deutschlands Rolle ist in dem Maß neu zu definieren, wie sich die USA als internationale Ordnungsmacht Beschränkungen auferlegen – als Konsequenz aus den bitteren Erfahrungen in Afghanistan und eben im Irak.

Es geht nicht darum, sich jetzt – von Empörung getrieben – in ein militärisches Abenteuer zu stürzen. Die Unterstützung der Bundesregierung muss darin bestehen, denjenigen unter die Arme zu greifen, die die islamistischen Milizen im Nordirak in die Schranken weisen können. Die Kurden auch militärisch besser auszustatten kann keine Sünde sein, schließlich kämpfen die Truppen des Islamischen Staats nicht mit Pfeil und Bogen, sondern sind mit geraubten US-Waffen gerüstet, ohne die sie ihren Vormarsch gar nicht hätten beginnen können. Wegschauen geht nicht. Ein islamisches Kalifat wäre eine neue Brutstätte des Terrorismus – eine Erkenntnis, die selbst bei der auf Pazifismus festgelegten Linkspartei ein Umdenken bewirkt hat.

Den Kurden gepanzerte Transportfahrzeuge zur Verfügung zu stellen, Sprengfallen-Detektoren, Verbandsmaterial und Helme – das kann sich die Bundesregierung erlauben, ohne bisherige Prinzipien aufzugeben. Auf jeden Fall stünden solche Lieferungen auf einem weit anständigeren moralischen Fundament als der Export von Panzern nach Saudi-Arabien oder Katar. Es geht jetzt um Hilfe zur Notwehr – unter diesem Aspekt sind auch die US-Luftangriffe auf IS-Stellungen zu sehen, genauso die Waffenlieferungen Amerikas und Frankreichs an den Irak. US-Präsident Barack Obama steht in der Pflicht. Es ist das Erbe von George W. Bush, das ihn zum Handeln zwingt.

Was aber, wenn deutsche Militärtechnik in die falschen Hände fällt? Die Befürchtung mag angesichts der Erfahrungen mit der irakischen Chaos-Truppe ihre Berechtigung haben – Tatsache aber ist, dass die kurdischen Kämpfer bei weitem besser organisiert sind. In ihrer autonomen Region haben sie stabile Strukturen aufgebaut, in Erbil geht es im Vergleich zu Bagdad geordnet zu. Die Kurden verdienen das Vertrauen des Westens. Sie haben ein eigenes Interesse, den Islamischen Staat in Schach zu halten, weil ihnen selbst die Unterjochung droht.

Ukraine, Gaza, Syrien – im Irak ist eine neue Weltkrise aufgeflammt. Im Gegensatz zu den anderen Konflikten scheint sie aber zeitlich und geografisch noch begrenzbar zu sein. Wenn nur die zerstrittenen Politiker in Bagdad endlich zur Besinnung kommen.

w.weithofer@stn.zgs.de