Am Neckartor ist die Schadstoffbelastung besonders hoch Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Seit Jahren versuchen Landesregierungen, die Schadstoffe in Stuttgart einzuschränken. Das kostete vielen Politikern ihre Glaubwürdigkeit. Die nun angekündigten Fahrverbote sind richtig, wenn das Maß stimmt, kommentiert StN-Redakteur Konstantin Schwarz.

Stuttgart - Manches Erbe würde man gerne ausschlagen. Zum Beispiel jenes, Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid auch in Stuttgart einzuhalten. Die gesetzliche Verpflichtung dazu ist zehn Jahre alt. Fast so lange klagen Bürger. Bessere Luft? Fehlanzeige. Die Vorgänger der jetzigen Landesregierung und der Stadtspitze hatten den Gesundheitsschutz nie zum Topthema erhoben. Selbst Grün-Grün, Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Oberbürgermeister Fritz Kuhn, behandelten es noch im Januar mit spitzen Fingern. Bis Ende 2021, in sechs Jahren, werde man eine Lösung haben, versprachen sie. Das kostete Glaubwürdigkeit.

Jetzt also wollen Hermann und Kuhn zupacken. Angesichts von 64 statt erlaubter 35 Feinstaub-Überschreitungstage und einer Millionenklage der EU ist Tempo angesagt. Die Regel, an Überschreitungstagen die Hälfte der Autos aus dem Verkehr zu ziehen hört sich zwar hart an, ist aber für die betroffenen Autofahrer erträglich. Im Winter lassen viele ihr Auto bereits stehen. Nicht wegen Inversionswetterlage und dicker Luft, sondern weil das geliebte Blech bei Schnee und Glatteis Schaden nehmen könnte.

Sehr viel drastischer ist die zweite Stufe des Eingriffs, das geplante Fahrverbot für alle Diesel, die ab 2019 die Euronorm 6 nicht schaffen. Wenn die Hersteller keine Aufrüstung für Euro-4- oder Euro-5-Autos anbieten, dann müsste eine Masse von Fahrzeugen aus dem Verkehr gezogen werden. Auch Autos, die erst fünf Jahre alt sind. Dieser Eingriff würde sicher auch für bessere Luft sorgen, er wäre wie von der EU gefordert wirksam. Ob er aber auch verhältnismäßig ist, darf bezweifelt werden. Schweres Erbe hin oder her: Wie bei der Einführung der Plakettenpflicht vor Jahren sind hier Übergangsfristen und Ausnahmeregeln geboten.