Glücklich mit Deutschlandfahne. Michael Schulte fährt für Deutschland zum Eurovision Songcontest nach Lissabon. Foto: Getty

Michael Schulte fährt für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Lissabon. Popmusik ist nicht so doof wie die Veranstalter des deutschen ESC-Vorentscheids noch immer glauben, meint Michael Setzer.

Stuttgart - Michael Schulte fährt nach Lissabon. Dieser Satz klingt genau so banal, wie der ganze deutsche Vorentscheid zum Eurovision Song Contest in Berlin war.

Wenigstens das: ein allzu schweres Erbe wird Michael Schulte mit seiner Ballade „You Let Me Walk Alone“ am 12. Mai in Lissabon nicht antreten müssen. Die deutsche Bilanz: Letzter Platz 2015 und 2016, Vorletzter Platz 2017. Doch was nützt all die Luft nach oben, wenn sich die für den ESC federführende Rundfunkanstalt NDR an der eigenen Arroganz den Kopf stößt? Denn wieder nervten weniger die gefälligen Lieder und Musiker, als das bräsige Konzept, das der NDR ihnen zugesteht. Der ganze Event wirkte wie aus der Zeit gefallen.

Die sechs Bewerber bei „Unser Lied für Lissabon“ sollten bitteschön das Komplettpaket erahnter Lebensentwürfe simulieren – so wie sich das ältere Intendanten und Entscheider aus dem Musikgeschäft das vorstellen: frech (Natia Todua), kreativ (Ryk), heimatliebend (Voxxclub), ein bisschen wild (Xavier Darcy), multikulturell (Ivy Quainoo) und empathisch (Michael Schulte) – Los jetzt, ihr seid Deutschland! Die musikalische Komponente der Geschichte wurde sogar noch liebloser abgehakt: irgendwas, das Ed Sheeran, Adele oder Coldplay vor vier Jahren auch hätten singen können. Das Publikum soll sich jetzt bitte einigen, gleich kommen die Tagesthemen.

Die Zuschauer spürten, dass hier der Konsens im Zweifelsfall mit dem Vorschlaghammer erzwungen werden sollte. Doch viel schlimmer ist der deutsche Irrglauben, dass Popmusik so schlicht ist und dass man „den Leuten“ einfach nur irgendetwas Buntes vor die Füße werfen müsste. Das grenzt an Publikumsverachtung. Für sowas gibt’s „Esc“-Knopf, links oben an der Computertastatur.