Kretschmanns Regierung im Visier: Bildungsplan-Gegner in Stuttgart Foto: dpa

Die grün-rote Landesregierung ist selbst schuld daran, dass ihr Aktionsplan für Schwule und Lesben Ängste schürt. Toleranz erwartet sie immer nur von den anderen.

Stuttgart - Selten wurde um so wenig so viel gestritten: Noch immer ist nicht ganz klar, wie sich Baden-Württembergs grün-rote Regierung eine stärkere Unterstützung sexueller Minderheiten im Land genau vorstellt. Die 20 Maßnahmen, die vom Sozialministerium vor wenigen Tagen vorgelegt wurden, sind ziemlich unverbindlich formuliert und bislang mit keinem Cent an Steuergeld hinterlegt. Trotzdem reden sich Gegner und Befürworter schon seit rund anderthalb Jahren die Köpfe heiß, sammeln Unterschriften und gehen auf die Straße. Für beide Seiten gilt das Motto: Man regt sich auf – man weiß allerdings nicht so genau, worüber.

Rund drei Jahre ist es her, dass das Landeskabinett den Aktionsplan in Auftrag gegeben hat. Und noch immer ist unklar, was im heikelsten Bereich, der Schule, denn nun geschehen soll. Irgendwie soll das Thema sexuelle Vielfalt in den Unterricht. Irgendwie soll es auch in die Schulbücher. Aber wie genau und ab welcher Klasse – das steht in den Absichtserklärungen nicht drin. So schürt man genau die Ängste und Vorbehalte, die man doch eigentlich zerstreuen will.

Die Gründe für das schleppende Tempo, mit dem Grün-Rot bislang allenfalls die Vorurteile gegenüber Schnecken abgebaut hat, liegen zum einen in der Natur der Sache: Mit solchen Aktionsplänen setzen sich Regierungen zunächst einmal in Szene, umschmeicheln ihre Klientel. Man gibt sich bürgernah, sammelt Vorschläge und spielt Wünsch-Dir-Was. Das dauert. Hinzu kommt im konkreten Fall der Widerstand des Apparats. Es war keineswegs so, dass das Kultusministerium begeistert über die Vorschläge der Betroffenen war, ganz im Gegenteil. Als Ende 2013 die Unterschriftensammlung gegen zu viel sexuelle Vielfalt in der Schule begann, konnte man das Aufatmen im Stuttgarter Kultusministerium fast schon bis nach draußen hören. Mit dem heftigen Widerstand einiger Bürger konnte man den eigenen Widerstand intern besser rechtfertigen.

Schwule und Schule – das scheint ein heikleres Thema zu sein, als Grün und Rot gedacht haben. Soll da eine sexuelle Neigung, in dem sie von der Politik demonstrativ hervorgehoben und verteidigt wird, etwa den Kindern nahe gelegt werden ? Man mag diese Frage absurd finden, aber Fakt ist: Die Landesregierung hat es bei dem Thema bislang in vielen Fällen nicht geschafft, die Menschen argumentativ dort abzuholen, wo sie nun einmal stehen. Gerade dort, wo die stärksten Vorbehalte sind, tut man so gut wie nichts, etwa bei Zuwanderern aus bestimmten Ländern. Lieber kocht man im eigenen Saft und grenzt sich von Kritikern ab.

Am Sonntag Nachmittag gehen in Stuttgart wieder einmal Gegner des Aktionsplans auf die Straße. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region hat zu einer Gegendemonstration aufgerufen – und die Grüne Jugend in Stuttgart hat den Aufruf auf ihre eigene Facebook-Seite übernommen: Da ist von „homophoben, frauenfeindlichen, fundamentalistischen und rechte Hetzer*innen“ die Rede, auf die man „Konfetti“ regnen lassen müsse.

Wer Toleranz fordert, der sollte sie auch vorleben. Vor allem die Grünen neigen aber dazu, die Ansichten anderer als moralisch minderwertige Positionen von Ewiggestrigen abzutun. Dies provoziert nicht nur Widerstand, dies hilft auch in der Sache nicht weiter. Meinungsfreiheit macht letztlich nur dann wirklich Sinn, wenn man sich die Meinung des anderen auch anhört. Hätte die grün-rote Regierung dies bei der Erarbeitung des Aktionsplans beherzigt, hätte es vielleicht nicht so viel Streit um so wenig gegeben.