CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak (im Vordergrund) schlägt dem Youtuber Rezo ein Gespräch vor. Foto:  

Die CDU tut sich mit der Reaktion auf den Youtuber Rezo schwer. Mit dieser Unsicherheit gegenüber Meinungsbildung und Meinungsmache im Netz ist die Partei nicht allein, kommentiert Jan Dörner.

Berlin - Herzblut, Einsatz und Kreativität hat die CDU nach eigenen Angaben in ihre Videoantwort auf den Youtuber Rezo gesteckt. Und doch hat sich die Partei am Ende nicht getraut, den Clip zu veröffentlichen. Zurecht war die Befürchtung groß, dass die mit dem 26-jährigen Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor bereits produzierte Replik zehntausendfach als Lachnummer in den sogenannten sozialen Medien weitergereicht wird.

Die schwankende Reaktion zeigt aber, wie nervös der wenige Tage vor der Europawahl millionenfach geklickte Totalverriss des blauhaarigen Rezo die bald 74-jährige Partei gemacht hat. „Wir haben in der CDU gemeinsam überlegt, wie wir mit Deiner Kritik und der Form, in die Du sie packst, umgehen. Brauchen wir eine schnelle Reaktion? Müssen wir dem medialen Druck nachgeben?“, offenbarte die Partei schonungslos in einer nun schriftlichen erfolgten Antwort ihre Ratlosigkeit.

Charismatische Querköpfe wie Rezo erreichen Millionen

Die Hilflosigkeit gegenüber der Meinungsbildung und Meinungsmache im Netz betrifft aber nicht nur die CDU, sondern in Abstufungen alle großen Parteien in Deutschland. Ausnahme ist die AfD, die erfolgreich in den Nischen des Internets Räume geschaffen hat, in denen sich die Partei und ihre Anhänger ungestört vom Rest der Gesellschaft und nach Herzenslust in ihrem Weltbild bestärken. Demokratischen Parteien muss es jedoch darum gehen, im Netz eine Diskussion zu führen mit Anhängern wie mit Kritikern.

Rezo hat sich bildlich gesprochen auf eine Kiste in der Mitte des Marktplatzes gestellt und wortgewandt, polemisch und provokant auf die Union eingedroschen. Früher hätten die Parteien mit den Schultern gezuckt und gedacht: Lasst ihn reden, da hören sowieso nur wenige Passanten zu, irgendwann wird er von seiner Kiste schon wieder runterkommen. Doch heutzutage erreichen charismatische Querköpfe wie Rezo auf dem digitalen Marktplatz ein Millionenpublikum, darunter besonders viele junge Menschen.

Ziemiak bestätigt zunächst Vorurteile

Diese für die Zukunft der Parteien so bedeutende Bevölkerungsgruppe leidet ganz offensichtlich nicht durchgehend an Politikverdruss, das haben die Proteste für Freiheit im Netz oder den Klimaschutz zuletzt bewiesen. Vielmehr zeugen die zahlreichen und zustimmenden Kommentare unter dem Video von einer weit verbreiteten Politiker- und Parteienverdrossenheit unter Jungwählern und Wählern von morgen.

Rezo trifft also ganz offensichtlich einen Nerv. Dabei bedient er sich Statistiken und zahlreichen Videoausschnitten, um seine wütenden Vorwürfe zu untermauern, auch wenn er vielfach vereinfacht und verkürzt. In einer ersten Reaktion warf der selbst erst 33 Jahre alte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dem Youtuber deshalb eine „Vermischung von Pseudofakten“ vor – und bestätigte so das Vorurteil, dass Politiker sich mit Kritik überhaupt nicht auseinandersetzen wollen.

CDU rudert zurück und schlägt ein Gespräch vor

Ziemiak ruderte nun zurück, räumte berechtigte Kritik des Youtube-Stars ein und schlug ein Gespräch vor. „Nicht als Show“, beteuerte der Politiker und forderte Rezo auf: „Lass uns über Deine Kritik an der CDU sprechen, aber bitte höre auch uns zu, wie wir die Dinge sehen.“ Diese Aufforderung darf Rezo nicht ausschlagen, wenn er nicht nur draufhauen will. Und seine Anhänger sollten auch dann wieder zuhören, wenn es ihnen wirklich um Demokratie und Politik geht. Und nicht nur um Schadenfreude.