Hormonfleisch gegen Auto-Jobs? Das wäre ein unappetitlicher Deal. Aber auch die EU kann bei den Verhandlungen nicht nur Forderungen stellen, kommentierte Klaus Köster.
Stuttgart -
„Was bislang aus diesen Geheimverhandlungen an die Öffentlichkeit drang, klang wie ein Albtraum“, sagte Jürgen Knirsch, Handelsexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Jetzt wissen wir, daraus könnte sehr bald Realität werden.“ In der Tat, die Papiere, die Greenpeace jetzt zu Tage förderte, zeigen, wie weit reichend die Forderungen sind, die die USA bei den Verhandlungen ums Freihandelsabkommen TTIP an die EU stellt. Dennoch ist die Schlussfolgerung falsch. Sie ähnelt der Aussage: „Jetzt wissen wir, dass die Metallbeschäftigten bald fünf Prozent mehr Lohn bekommen.“ Der Greenpeace-Experte verwechselt Standpunkt und Ergebnis.
Die Papiere zeigen, dass eine Seite der anderen wenig zu schenken hat. Gerade deshalb gestalten sich die Verhandlungen äußerst zäh und langwierig. Und auch die Inhalte belegen vor allem, was zu vermuten war: Dass beide Seiten Interessen haben, die sie durchsetzen wollen.
Die große Schwierigkeit bei diesem Verhandlungen ist der Umstand, dass nicht nur Interessen, sondern Wirtschaftskulturen aufeinander treffen. In den USA gilt die Devise, dass erst einmal vieles erlaubt ist, wenn es sich nicht erwiesenermaßen als schädlich erweist – ob es um Hormonfleisch geht oder um gentechnische veränderte Lebensmittel. Dieses Prinzip sähe Amerika gern auch in Europa verwirklicht – und versucht, die Interessen der US-Agrarlobby gegen die der europäischen Automobilbeschäftigten auszuspielen, für die die USA mit der wichtigste Absatzmarkt weltweit ist. Hormonfleisch gegen Auto-Jobs? Ein solcher Kuh-Handel wäre sehr unappetitlich. Klar ist aber auch, dass Europa nicht nur fordern kann. Denn der wachstums- und technologiestarke US-Markt hat für die EU mindestens die gleiche Bedeutung wie umgekehrt die gesättigten EU-Märkte für die USA.
klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de