Wahlkampf mit Pathos: Der Spitzenkandidat der Republikaner, Donald Trump (rechts) und sein unterlegener parteiinterner Konkurrent Marco Rubio. Foto: dpa

Donald Trump mischt den Präsidentschaftswahlkampf in den USA auf. StN-Chefredakteur Christoph Reisinger erklärt, was Trump mit Erdogan, Putin, Le Pen und Co. gemeinsam hat und warum die Strategie der Rechtspopulisten aufgeht.

Stuttgart - Das große Zittern hat begonnen. In den USA nicht anders als bei ihren engsten Verbündeten. Denn Donald Trump ist im Kommen. Und wie.

Seit er als Spitzenkandidat der Republikaner für die US-Präsidentschaft feststeht, bangt die Konkurrenz, die Demokratische Partei. Mit Grund, denn ihre mutmaßliche Spitzenkandidatin Hillary Clinton – ihr fehlt noch die Bestätigung in den internen Vorwahlen – findet mit ihrem altbackenen Wahlkampf kein Mittel gegen das dauernd auf Maximallautstärke gedrehte Großmaul Trump.

Minderheiten in den USA sorgen sich vor einem Siegeszug des Multiunternehmers ins Weiße Haus. Will er doch angeblich elf Millionen Einwanderer ausweisen und sein Land gegen Mittel- und Südamerika mit einer Mauer abschotten. Über die Sorgenfalten in den Gesichtern von Staats- und Regierungschefs der wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Partner Amerikas wegen seiner absurden und menschenverachtenden Wahlkampf-Sprüche äußert sich Trump zufrieden.

Ob er damit die Wahl gewinnt, vermag niemand seriös vorherzusagen. Fest steht hingegen – und das ist tatsächlich beängstigend: Trump liegt im Trend. Beileibe nicht nur in Amerika.

Was Trump, Erdogan, Putin, Le Pen und Co. gemeinsam haben

Je schriller das nationalistische Pathos, je beleidigender die Häme gegen alle, die in eine der vielen Die-gehören-nicht-zu-uns-Kategorien verbannt werden, je größer die Distanz zum Althergebrachten in Gesellschaft und Demokratie, desto größer der Widerhall. Für einen Trump wie für einen Erdogan, einen Netanjahu, einen Putin, einen Orbán, einen Höcke, einen Strache oder eine Le Pen.

So unterschiedlich die Parteien und die Strömungen sind, die diesen Politiker-Typ nach vorne bringen, so gilt für sie doch gleichermaßen: Bei sehr oberflächlicher Betrachtung bieten sie starke Antworten auf die Globalisierung und all die Umwälzungen und Verunsicherungen, die sie mit sich bringt. Und selbst wer die Versprechen dieser Parteien als leer durchschaut, darf als Wähler immer noch klammheimliche Freude empfinden. Darüber, dass eine Stimme für einen wie Trump diejenigen bestraft, denen unterstellt wird, sie hätten sich vom Volk und von den ganz persönlichen Interessen des jeweiligen Wählers entfernt und es sich gemütlich gemacht in Amt und Würden.

Was fehlt ist eine finanzierbare Marschroute

Daher wird es wenig bringen, Trump mit historischen Vergleichen zu attackieren, wie das zuletzt immer wieder geschieht. Zu Hitler fehlt Trumps Rassismus der Vernichtungswille. Zu Mussolini die totale Demokratie-Feindlichkeit. Selbst Parallelen zu Berlusconi – auch der ein nervender Politclown, ein selbstgefälliger Superreicher – brechen an entscheidender Stelle ab: Trump betreibt sehr viel weniger als der Italiener Politik zur Belebung der eigenen Geschäfte.

Um die Schwertgosch der Republikaner noch abzufangen, bedarf es mehr als schräger Vergleiche und politisch korrekter Verdammung. Die US-Demokraten aber leiden wie viele Mitte- und Links-Parteien in Europa darunter, dass ihnen in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten das Wichtigste abhandengekommen ist: eine für Wählermehrheiten plausible, auch finanzierbare Marschroute. Eine klare Idee etwa, wie sie die Digitalisierung der Wirtschaft oder die Zuwanderung so begleiten, dass Arbeitnehmer und ihre Rechte nicht auf der Strecke bleiben.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de