Droht Deutschland ein Infarkt der Infrastruktur? Foto: dpa

Denn geht man Albigs Vorstoß auf den Grund, dann bleibt nur eine Botschaft übrig: Die Politik insgesamt, und erst recht die SPD, kann entweder nicht mit Geld umgehen – oder sie setzt, aus welchen Gründen auch immer, falsche Prioritäten.

Stuttgart - Darin sind sich alle in Deutschland einig: Die Verkehrsinfrastruktur mit Straßen, Brücken, Schienen und Wasserstraßen ist unterfinanziert. Auch wenn es ein wenig übertrieben klingen mag: Deutschland droht ein Infarkt seiner Infrastruktur. „Wenn wir kneifen, wird uns die Realität einholen“, sagt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig. Damit – immerhin – liegt der Sozialdemokrat nicht daneben. Mit seinen Finanzierungsvorschlägen dagegen sehr wohl.

Schnell hat die SPD wenige Wochen vor der Europawahl Albigs frechen Vorstoß wieder einkassiert. Nicht auf der Tagesordnung: So sieht es SPD-Chef Sigmar Gabriel im fernen China. Purer Unfug: So nennt es Johannes Kahrs, der haushaltspolitische Fraktionsspecher. Keine weiteren Belastungen für die Autofahrer: So klingt es PS-stark aus allen Genossen-Kehlen. Und das ist gut so.

Denn geht man Albigs Vorstoß auf den Grund, dann bleibt nur eine Botschaft übrig: Die Politik insgesamt, und erst recht die SPD, kann entweder nicht mit Geld umgehen – oder sie setzt, aus welchen Gründen auch immer, falsche Prioritäten. Es mag ja durchaus schlüssig sein, wenn die Bundesländer einstimmig beschließen, dass jedes Jahr sieben Milliarden Euro zusätzlich zur Sanierung verfallender Straßen bereitgestellt werden sollten. Es mag verantwortungslos erscheinen, dass die Große Koalition angesichts der unleugbaren Probleme lediglich fünf Milliarden Euro für die gesamte Legislaturperiode vereinbart hat.

Doch Albig zieht daraus die falschen Schlüsse. Nicht von ungefähr machte in der Republik gestern eine besonders frohe Botschaft die Runde: Die stabile Konjunktur und ein milder Winter sorgten auch im März für satte Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Einnahmen (ohne reine Gemeindesteuern) stiegen im Vorjahresvergleich um 7,2 Prozent. Die reinen Ländersteuern übertrafen das Vorjahresniveau sogar um 22,7 Prozent. Prächtige Einnahmen. Ein Großteil aus der Lohn- und Einkommensteuer. Also von den Arbeitnehmern. Von uns. Die Steuerquellen sprudeln, aber Leute wie Albig wissen einfach nicht damit umzugehen. Sie wollen immer mehr und bringen fragwürdige Nebenhaushalte ins Spiel, um den Bürger fürs Nötigste zur Ader zu lassen, um eigene Polit-Hobbys finanzieren zu können. Anders formuliert: Das Geld der Steuerzahler kommt nicht da an, wo es am nötigsten ist.

Klar, dass die politischen Begehrlichkeiten vor allen die Melkkühe der Nation treffen: die Autofahrer. Jene, die schon stolze 50 Milliarden Euro aufbringen – mit Lkw-Maut, Kfz-Steuer und einer fiskalischen Belastung von Mineralölprodukten, die durch eine trickreiche Mehrwertsteuer-Berechnung bei rund 88 Cent pro Liter Benzin liegt. Und das soll nicht reichen? 100 Euro extra im Jahr: So will es Albig – ohne Lenkungsunterschiede, ohne Ausländerbeteiligung, dafür mit hohem Bürokratieaufwand. Der nächste SPD-Slogan kommt aus Kiel: Nehmen ist seliger denn geben. Vor allem, wenn es um marode Brücken und Straßen geht.

Die Debatte um die Finanzierung der Infrastruktur ist bezeichnend. Ein Staat. der lieber soziale Wohltaten verteilt, als wirtschaftliche Grundlagen des Wohlstands zu erhalten, wird nie genug Geld haben. Wird immer wieder neue Einnahmequellen erfinden müssen. Albig mag mit seinem Vorstoß scheitern. Doch er bereitet – willentlich – all jenen das Feld, die auch mit den größten Steuereinnahmen nicht zu haushalten wissen, um ihre Pflicht und Schuldigkeit zu tun.

w.molitor@stn.zgs.de