Schulterschluss: Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft auf die Unterstützung ihres türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu in der Flüchtlingskrise. Foto:  

Angela Merkel sucht vor allem im Ausland Verbündete in der Flüchtlingskrise. Ohne die hat sie keine Chance, meint unser Autor Christoph Reisinger.

Stuttgart - Noch keine drei Wochen vorbei, und schon wieder trifft die Kanzlerin den türkischen Regierungschef. Zu viel der Partnerpflege? Sollte sie sich nicht lieber zu Hause um den eigenen Laden kümmern?

Sicher nicht. Offenkundig schätzt Angela Merkel richtig ein, wo sich ihr politisches Schicksal und die Flüchtlingskrise entscheiden. Nicht im Koalitions-Zwist über den Familiennachzug für Asylanten. Nicht einmal in den drei Landtagswahlen im März. Allein durch das Mitziehen auswärtiger Partner kann Merkel nochmals Herrin der Lage werden. Dazu braucht sie eine türkische Regierung, die ihr hilft, den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen. Kommt sie kommende Woche vom EU-Gipfel nicht mit einem Ergebnis, das sich einigermaßen als europäische Lösung deuten lässt, oder zumindest mit festen Zusagen starker Partner, wird es eng.

Dann läuft Deutschland Gefahr, dass die von einer schandbaren, weil politisch so kurzsichtigen Entsolidarisierungswelle erfasste EU auseinanderfliegt – mit Folgen, die noch weit dramatischer wären als der quasi ungezügelte Zustrom Hunderttausender. Denn damit verlöre Deutschland wesentliche Grundlagen seines Reichtums, seines Einflusses, seiner Sicherheit. Der Kanzlerin wiederum droht ohne wirksame Unterstützung von außen der prekäre Zustand: Mutti allein zu Haus. Mit einer CDU, in der die Angst vor dem Popularitätstief größer ist als die Dankbarkeit für große Erfolge. Mit einer marodierenden CSU. Mit einer zwar koalitionsfesten, aber schwachen SPD.

Daher die Merkel’schen Klimmzüge und Kratzfüße. Das Beruhigende: Bringen sie die erhofften Ergebnisse, nützt das vor allem Deutschland. Das Beunruhigende: Ein Erfolg dieser Anstrengungen ist alles andere als gewiss.

c.reisinger@stn.zgs.de