Zentrale der Deutschen Annington in Bochum Foto: dpa

Nach gut drei Jahren wechseln rund 20.000 ehemalige LBBW-Wohnungen erneut den Eigentümer. Doch die Klagen über den angeblichen Turbokapitalismus gehen in die falsche Richtung. Denn die Mieter dieser Wohnungen besitzen eine Absicherung, von der andere nur träumen können.

Stuttgart - Auf den ersten Blick wirkt es, als seien 20 000 Wohnungen in Baden-Württemberg zum Spekulationsobjekt großer Immobilienkonzerne verkommen. Noch vor vier Jahren gehörten sie zur Landesbank, bevor sie dann an den privatwirtschaftlichen Investor Patrizia verkauft wurden, der sie nun seinerseits an den deutschen Branchenriesen Deutsche Annington verkauft hat. Werden Wohnungen zum Spielball?

Für die Mieter ist der Verkauf nicht unbedingt ein Nachteil, denn längst nicht immer kommen Käufer zum Zuge, deren Geschäftsmodell darin besteht, Wohnungen möglichst verrotten zu lassen und dann wieder teuer weiterzuverkaufen. Ganz im Gegenteil: Wenn bei solchen Geschäften die Politik im Spiel ist wie einst beim Verkauf der Wohnungen durch die Landesbank an Patrizia, bekommen die Mieter sogar Privilegien zugesprochen, die weit über die gesetzlichen Mieterrechte hinausgehen.

Die Sozialcharta bietet ihnen einen zehnjährigen Schutz vor Kündigungen und erschwert fünf Jahre lang Mieterhöhungen. All diese Zusagen dürften seinerzeit den Kreis der Interessenten verkleinert und den Verkaufspreis gedrückt haben – zulasten der Steuerzahler und damit auch der großen Mehrheit der Mieter, die von einer Sozialcharta nur träumen können. Nicht alles, was angenehm ist, ist auch gerecht.

Die Deutsche Annington, der neue Vermieter, steht ebenfalls für weitreichende Mieterrechte, was sich schon daran zeigt, dass sie die Sozialcharta komplett übernommen hat. Sie sieht im wirtschaftsstarken Stuttgart offenbar große Chancen, auch langfristig Leerstände zu vermeiden. Dass die Annington, die nichts zu verschenken hat, pro Wohnung weit mehr an Patrizia bezahlt, als Patrizia seinerzeit an die Landesbank überweisen musste, wirft jedoch die Frage auf, ob die Bank neben den Rechten der einstigen LBBW-Mieter auch die der Steuerzahler angemessen berücksichtigt hat.

Die Sorge, dass die Wohnungen auf Kosten der Mieter zum Spielball werden, hat die Politik gründlich beseitigt. Eher als die ehemaligen LBBW-Mieter wird der Steuerzahler zum Spielball.

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