Die Beiträge für die Krankenkassen steigen ab 2015 auf breiter Front. Foto: dpa

Die Beiträge für die gesetzlichen Krankenkassen steigen ab 2015 auf breiter Front. Ein Kommentar von Willi Reiners.

Stuttgart - In Kraft tritt die Neuordnung der Kassenfinanzen erst in wenigen Tagen, doch als sicher gilt schon jetzt: Die Bundesregierung hat den Bürgern wohl zu viel versprochen. Rund 20 Millionen gesetzlich Krankenversicherten bringe der neue Zusatzbeitrag eine Entlastung, so hatte es Schwarz-Rot vollmundig angekündigt. Weil aber nun fast alle Großkassen wie etwa Barmer GEK, DAK oder auch AOK Baden-Württemberg ihren Gesamtbeitrag (aus allgemeinem Kassenbeitrag von 14,6 Prozent plus Zusatzbeitrag) im neuen Jahr stabil bei 15,5 Prozent halten, wird diese gewaltige Versichertenzahl kaum erreicht.

Auch die Mitglieder der Techniker-Krankenkasse (TK), die als einziger großer Anbieter auf 15,4 Prozent (14,6 Prozent plus 0,8 Prozent Zusatzbeitrag) runtergeht, werden übrigens 2015 im Vergleich zu 2014 unterm Strich mehr zahlen. Im alten Jahr hatte die TK wie auch 2013 noch eine Prämie von 80 Euro je Mitglied spendiert. Dahinter bleibt die Beitragssenkung von 15,5 auf 15,4 Prozent um einen Zehntelpunkt zurück, die einem TK-Mitglied an der Beitragsbemessungsgrenze eine Ersparnis von 49,50 Euro im Gesamtjahr 2015 bringt.

Warum aber entlasten die meisten Versicherer ihre Kunden nicht wie von der Politik erwartet? Die Konstellation erinnert an Auseinandersetzungen zwischen der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und den Krankenkassen. Die SPD-Politikerin sah immer wieder mal Spielräume für Beitragssenkungen und forderte diese auch ein – doch die Kassen zeigten ihr die kalte Schulter. Sie verwiesen erstens auf ihr Recht, den Beitragssatz selbstständig festzusetzen, und zweitens auf Risiken durch steigende Gesundheitsausgaben, so wie sie es jetzt wieder tun. Ende vom Lied: Schmidt führte den Gesundheitsfonds ein und nahm den Kassen die Beitragsautonomie. Wie viel die Kassen verlangen durften, legte fortan die Regierung fest.

In den vergangenen Jahren verschaffte sich die Politik rigoros Ruhe an der Beitragsfront, indem sie den Kassenbeitrag mit 15,5 Prozent höher als erforderlich hielt. Gesundheitsfonds und Kassen wurden mit Beitragseinnahmen geradezu geflutet. Zeitweise betrug das Finanzpolster im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mehr als 20 Milliarden Euro – eigentlich ein Skandal, denn es war Geld der Versicherten, das da sinnlos gehortet wurde.

Es ist gut, dass es damit nun ein Ende hat. Die Neuordnung der Kassenfinanzen gibt den Versicherern ein Stück Autonomie zurück. Sie können über die Höhe des Zusatzbeitrags selbst entscheiden, den sie neben dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent erheben müssen, um Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen. Das sorgt zumindest beitragsseitig für mehr Wettbewerb im System, denn die Kassen werden im Prinzip versuchen, den Zusatzbeitrag so niedrig wie möglich zu halten. Das wiederum bedeutet zusätzlich Wahlmöglichkeiten für die Versicherten, zumindest beim Preis.

Jenseits der Beitragsarithmetik indes bleiben alte Fragezeichen bestehen. Denn wodurch wird die Position der Kassen in diesem Wettbewerb bei identischem, weil gesetzlich vorgeschriebenem Leistungskatalog definiert? Es sind insbesondere die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds auf Basis des komplizierten Finanzausgleichs zwischen den Krankenkassen. An der Art und Weise der Verteilung entzündet sich immer wieder Kritik. Begünstigt werden Kassen mit möglichst vielen chronisch Kranken, die Qualität der Versorgung spielt keine Rolle. Aber gerade auf diesem Gebiet ist Wettbewerb dringend erforderlich im Interesse der Patienten.