Der Bundestag ist gefallen, sein IT-Netz muss neu aufgebaut werden. Foto: dpa

Nach der Attacke auf den Bundestag: In der Cyber-Welt ist Gegenangriff geboten. Schnell. Hart. Unerbittlich. Ja, und auch virtuell vernichtend, meint unser Kommentator Franz Feyder.

Berlin/Stuttgart - Deutschland ist im Krieg. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage in der Woche. Verwickelt in unerbittliche Kämpfe. Gegen einen schnell und unerbittlich zuschlagenden Gegner. Einem, der aus dem Verborgenen agiert. Und: Deutschland scheint diesen Krieg zu verlieren. Spätestens die Cyber-Attacke auf Computer von Bundestagsabgeordneten zeigt, wie hilf- und auch wehrlos eine der wichtigsten Industrienationen der Welt jenen Offensiven ausgesetzt ist, mit denen die Schlachten des 21. Jahrhunderts eröffnet werden.

Zumal die um das deutsche Parlament auch schon beendet ist. Das Ergebnis: Der Bundestag ist gefallen, sein IT-Netz muss neu aufgebaut werden. 20 000 Computer sind Schrott. Und eine unbekannte Menge von Daten der Volksvertreter befinden sich jetzt in den Händen unbekannter Hacker: Mails der Fraktionen, Konzepte, Gesetzesentwürfe, vertrauliche Korrespondenz mit Bürgern. Eben alles, was in einer Demokratie ein Abgeordneter braucht, um arbeiten zu können.

Niemand wird sagen können, er sei vor solchen Angriffen nicht gewarnt gewesen. Seit Jahren weisen Verfassungsschützer und Polizisten in der gesamten Republik auf die Gefahr derartiger Cyber-Attacken hin: Darauf, dass Kriminelle über gehackte E-Mail-Accounts Unschuldiger Abertausende Mails mit kriminellen Inhalten versenden. Dass Verbrecher online Konten plündern, Daten ausspähen und Rechner sperren.

Experten malen Schreckensbilder an die Wand. Von Terroristen und fremden Geheimdiensten, die sich in die Netzwerke von Atomkraftwerken hacken. Die im ganzen Land den Strom abstellen, die Lichter ausgehen lassen. Oder die Massenpaniken dadurch auslösen, indem sie Horrormeldungen über soziale Netzwerke verbreiten. Fantasien Paranoider? Als vor einem Jahr der Chef der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ im Irak seine Kalifat ausrief, legten seine Computerkrieger die Hälfte des irakischen Internets lahm. Gleich welche Seite User aufriefen, sie wurden immer auf eine Website gelenkt: Die, auf der die Predigt Abu Bakr al-Baghdadis übertragen wurde.

Verfolgungswahn? Ende April legten mutmaßlich Islamisten oder der russische Geheimdienst das Netzwerk des französischen Fernsehen-Senders TV 5 Monde lahm. Die französische Regierung spricht vom „schlimmsten Terroranschlag nach dem auf Charlie Hebdo“ im Januar diesen Jahres.

Angriffe, auf die Deutschland allenfalls defensiv reagieren kann. Und das bedeutet: IT-Fachleute stopfen die löchrige deutsche Verteidigung. Mit Glück hält die dann auch noch der nächsten Attacke stand. Spätestens dann dürfte sie wieder Lücken aufweisen. Kaum zu glauben, dass dies eine abschreckende Strategie ist, die chinesische, russische Staatshacker oder IS-Cyberterroristen abschreckt.

Dabei lautet das Gebot der Stunde: Cyber-Vergeltung für Cyber-Angriffe. Wer nicht selbst auch ausspäht und angreift, wird die Methoden und Gedanken derjenigen kaum verstehen, die ihn selbst attackieren. Technisch ist Deutschland mit der „Abteilung Informations- und Computernetzwerkoperationen“ der Bundeswehr auf virtuelle Gegenangriffe bedingt vorbereitet. Rechtlich jedoch sind noch viele Fragen zu klären: Muss der Bundestag einem solchen Einsatz zustimmen? Ist ein solche Gegenoffensive ein bewaffneter Einsatz im Sinne des Völkerrechts? Welche Regeln gelten für einen derartigen Einsatz?

Fragen, die schnell zu beantworten sind: In der Cyber-Welt ist Gegenangriff geboten. Schnell. Hart. Unerbittlich. Ja, und auch virtuell vernichtend.