Längst ist Google mehr als ein Suchmaschinenkonzern. In der neuen Holding Alphabet finden auch innovative Bereiche wie das Labor X als eigenständige Firmen Platz Foto: AP

Mit mehr eigenständigen Firmen wie der Gesundheitsfirma Calico unter dem Dach der neuen Holding Alphabet bleibt Google agil, meint Redakteur Daniel Gräfe. Das ist entscheidend für die Zukunft.

Stuttgart - Klein hat man es bei Google noch nie gemocht. Der Suchmaschinen-Konzern von einst wollte schon immer die Welt bedeuten – mindestens. „Moonshots“ – Mondflüge – werden Googles Projekte genannt, mit denen der IT-Gigant nach Neuem strebte. Das Innovationslabor Google X entwickelt selbstfahrende Autos und Drohnen, die das Internet in den entlegensten Winkel bringen sollen. Die Gesundheitsfirma Calico will das Altern verzögern, und der Thermostatbauer Nest kann die Gewohnheiten der Häuslebauer erforschen. Projekte wie diese und auch Google selbst werden nun als eigenständige Firmen unter dem Dach einer neuen Holding gebündelt. Nicht überraschend trägt sie einen Namen, der für alles steht: Alphabet. Die Welt von A bis Z.

Das Signal ist klar: Die Verbraucher brauchen nichts anderes mehr als Google und sein Alphabet. Doch hinter der flockigen „Alles uns“-Attitüde steckt eine handfeste Strategie. Google drohte sich in dem Geflecht aus neuen Ideen, Firmen und Spezialisten zu verheddern. Oder langfristig sogar sich selbst zu strangulieren. Negativbeispiele in der schnelllebigen IT-Welt gibt es etliche: Microsoft verpasste einst den Sprung ins Internetzeitalter, Nokia verschlief das Smartphone. Beide leiden noch immer darunter, dass sie auf die florierenden Geschäfte vertrauten und in ihrer Struktur nicht mehr schlagkräftig genug waren.

Die Holding ist auch ein Zugeständnis an die Anleger

Die eigenständigen Firmen können ihr Profil schärfen und Googles Schlagkraft erhöhen. Es lässt sich freier entwickeln, einfacher kommunizieren und gezielter Mitarbeiter anwerben. Dabei wird getrennt, was bisher nicht zwingend zusammenpasste. Nebenbei wird das Kerngeschäft mit den Werbeanzeigen geschützt, das noch immer rund 90 Prozent von Googles Umsatz ausmacht. Und wenn es bei einer der neuen Firmen nicht gut läuft, kann sie künftig auch leichter abgestoßen werden. Das ist gut für die Bilanz und wird auch den Anlegern gefallen. Künftig haben sie mehr Transparenz und einen besseren Einblick in die verschiedenen Geschäftsbereiche.

Ob Googles Entflechtung auch die Wettbewerbshüter überzeugt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. In der Europäischen Union laufen derzeit mehrere Wettbewerbsverfahren gegen Google. Der Vorwurf: Der Konzern soll unter anderem in den Trefferlisten der Suchmaschine eigene Dienste bevorzugen. Zwar zeigt sich die EU-Kommission in einer ersten Reaktion unbeeindruckt – aber mit der stärkeren Trennung der Firmen können die Kalifornier schon bald flexibler auf künftige Verfahren reagieren.

Bald könnte Google nur noch ein Buchstabe unter vielen sein

Und was ist mit den Verbrauchern? Die Entflechtung ist auch gut für den Datenschutz, zumindest in der Theorie. Was zum Beispiel das Nest-Thermostat über das heimische Wohnzimmer verrät, wäre künftig für Google tabu. Ob das auch so praktiziert wird, darf allerdings bezweifelt werden. Kurzfristig wird sich durch Googles Umbau ohnehin für die Internetfans wenig ändern: Die häufigsten Anwendungen wie Suche, G-Mail, YouTube oder das Smartphone-System Android bleiben Teil von Google.

Spannend wird es aber in den kommenden Jahren werden: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Alphabet-Imperium neue Dienste erschafft, ist gestiegen. Es ist also gut möglich, dass eine der neuen Firmen einmal bekannter wird als Google selbst. Dann wäre Google tatsächlich nur noch ein Buchstabe des Alphabet-Imperiums. Bis vielleicht das nächste folgt. Denn für Alphabet gilt, dass der Buchstabe Z nicht zwingend der letzte sein muss.