Für die neueste Staffel von GNTM hat sich „Model-Mama“ Heidi Klum einen neuen Juroren geholt: Designer Michael Michalsky sitzt nun neben ihr und Creative Director Thomas Hayo. Foto: dpa

Die Casting-Show „Germany’s Next Topmodel“ geht in die elfte Runde. Es gibt neue Regeln, doch das Prinzip ist noch dasselbe: Wer sich weigert Heidi Klums Anweisungen zu folgen, hat so gut wie keine Chance, in die nächste Runde zu kommen.

Stuttgart - Unterhaltsam? Lächerlich? Oder sogar gefährlich? Die Model-Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ (GNTM) geht in die elfte Runde. Am 4. Februar wurde die erste Folge der neuen Staffel ausgestrahlt. Wie andere Sendungen dieses Formats („Deutschland sucht den Superstar“, Dschungelcamp, „Der Bachelor“) könnte auch „GNTM“ als Opium fürs Volk durchgehen – würde die Sendung nicht ein mehr als fragwürdiges Frauenbild transportieren.

Vielleicht ist das Publikum sich dessen mittlerweile bewusst, vielleicht ist es auch nur der Wiederholung des immer gleichen Ablaufs überdrüssig. Wie dem auch sei: Die Zuschauerzahlen gehen kontinuierlich zurück. Seit Jahren. Um dem entgegenzuwirken, hat sich „Model-Mama“ Heidi Klum für die laufende Staffel ein paar Neuerungen einfallen lassen: Statt Wolfgang Joop sitzt nun Designer Michael Michalsky neben Klum und Creative Director Thomas Hayo am Juroren-Tisch.

Darüber hinaus treten die jungen Teilnehmerinnen in zwei Teams gegeneinander an und nächtigen auf ihrer Reise um die Welt in unkomfortablen Hostel-Mehrbettzimmern statt in den Suiten einer Luxusvilla. Die Show solle schließlich die Realität des Model-Alltags widerspiegeln.

Wer sich weigert, hat keine Chance

Am Grundprinzip von „GNTM“ hat sich indes nichts geändert: Eine im Laufe der Show immer geringer werdende Anzahl junger Frauen buhlt um die Gunst der Juroren, respektive Kunden. Um diese zu erlangen, müssen die Kandidatinnen im Prinzip nur drei Aufgaben erfüllen: Dünn aussehen, lächeln und sexy in die Kamera gucken – sei es nun an der Hochhauswand in 80 Meter Höhe oder aber mit der handtellergroßen Vogelspinne auf der Schulter. Wer sich weigert, hat so gut wie keine Chance, in die nächste Runde zu kommen.

Man könnte dies nun als lustigen Wettbewerb abtun – immerhin wird niemand gezwungen, sich unter Aufsicht von Klum in den abstrusesten Outfits und Posen filmen und fotografieren zu lassen oder vor werbewirksam platzierten Gegenständen und Lebensmitteln in High Heels herumzustolzieren. Zudem müssen die Eltern der unter 18-jährigen Mädchen ihre schriftliche Einwilligung zu deren Teilnahme geben. Doch die Botschaft, mit welcher die Sendung die Wohnzimmer – und damit auch potenzielle spätere Teilnehmerinnen – erreicht, ist alles andere als lustig. Sie lautet: Mädchen, macht euch zu unterwürfigen Marionetten ohne eigene Meinung. Wer aufmuckt, fliegt.

Als ob es die Frauenbewegung nie gegeben hätte

Ein Geheimnis war das zwar noch nie. Schon vor Jahren sagte der am Sonntag verstorbene Fernsehmoderator Roger Willemsen der „taz“, wenn Heidi Klum „wertes von unwertem Leben“ scheide, „möchte man sechs Sorten Scheiße aus ihr herausprügeln – wenn es nur nicht so frauenfeindlich wäre“. Die Feministin Alice Schwarzer bezeichnete Klum 2009 gar als „menschenfeindlich“: Mit welcher Kälte und Arroganz die Moderatorin die jungen Mädchen vorführe, sei „einfach widerlich“.

Rätselhaft ist derweil, aus welchem Grund derartige Botschaften in unserer Gesellschaft nach wie vor akzeptiert und in regelmäßiger Form konsumiert werden. Donnerstagabends, zur besten Sendezeit. Als ob es die Frauenbewegung vor hundert Jahren niemals gegeben hätte. Und als ob in diesem Land nicht rund sieben Prozent der Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren sowie drei Prozent der Jungen unter einer Essstörung leiden würden.

Selbstverständlich kann „GNTM“ keine Alleinschuld an der größer werdenden Gruppe der Magersüchtigen in Deutschland angelastet werden. Doch das Format ist nicht ungefährlich. Letztlich reduziert es Frauen nur auf eines: ihre Hülle.