Der Strom der Flüchtlinge reißt nicht ab. Foto: dpa-Zentralbild

Kommentar – Dass die Zahl der Flüchtlinge sinkt, wenn die Fluchtursachen außerhalb Deutschlands bekämpft werden, ist falsch, meint unserer Kommentator Rainer Wehaus.

Stuttgart - Jene, die einer Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen das Wort reden, stricken an einer Legende. Es ist die Legende der Fluchtursachen, die man bekämpfen müsse. Diese Fluchtursachen befinden sich demnach außerhalb Deutschlands. Vor allem Bürgerkriege, Armut und Diskriminierung in anderen Ländern haben angeblich die Menschen in großer Zahl nach Deutschland getrieben. Nur wenn diese Fluchtursachen wegfallen, nehme der Zustrom dauerhaft ab, heißt es. Das klingt logisch, ist aber falsch.

Bürgerkriege, Armut und Diskriminierung gab es auf dieser Welt schon immer. Die wohlhabenden Staaten versuchen seit langem, mit sogenannter Entwicklungshilfe die Probleme zu lindern und zugleich das eigene Gewissen zu beruhigen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Fremde Staaten lassen sich mit noch so vielen Milliarden, Soldaten oder Helfern nicht einfach aufpäppeln. Hilfe von außen scheitert meist an den völlig anderen Traditionen und Mentalitäten vor Ort. Wer angesichts dieser bitteren Erfahrungen nun noch mehr Entwicklungshilfe leisten will, der verschwendet Geld. Zur Erinnerung: Deutschland zahlt Flüchtlingen derzeit beinahe den Hartz-IV-Satz. So viel Entwicklungshilfe kann gar nicht geleistet werden, um dies für Armutszuwanderer unattraktiv zu machen.

Sogwirkung deutscher Großzügigkeit

Die Legende von den Fluchtursachen ist auch der Versuch, vom eigentlichen Grund der Flüchtlingskrise abzulenken. Der Zustrom begann 2012 nach der Erhöhung der Bargeldzahlungen, die vom Bundesverfassungsgericht verfügt worden war. Zunächst kamen mehrheitlich Armutszuwanderer vom Balkan, vor allem Sinti und Roma. Später dann mit wachsender Zahl auch Syrer. Dank geschäftstüchtiger Schleuser hatte sich in den Flüchtlingslagern herumgesprochen, welche Summen Deutschland zahlt.

Die Sogwirkung der deutschen Großzügigkeit war letztlich so groß, dass das ohnehin schon brüchige Asylsystem der Europäischen Union kollabierte. Für Flüchtlinge gab es keine Grenzen mehr und keine Regeln. Ausgerechnet in dieser Situation sorgte Kanzlerin Angela Merkel vergangenes Jahr mit ihren Willkommensgesten für eine weiteren, geradezu explosionsartigen Anstieg der Zahlen . Das Ergebnis: eine Million neue Asylbewerber allein im vergangenen Jahr.

Die Politik hat zu spät reagiert

Die Politik hat reagiert. Allerdings zu spät und vor allem nur halbherzig. Seit November letzten Jahres sollen Länder und Kommunen nach dem Gesetz wieder Sachleistungen ausgeben. Doch die Verantwortlichen scheuen den Aufwand, haben wohl auch Angst vor großem Unmut in den Flüchtlingsheimen. Deshalb hat sich in dieser wichtigen Frage praktisch seit Monaten nichts getan.

Baden-Württemberg soll den Vorreiter spielen und mit einer Sachleistungskarte experimentieren: Mit dieser Karte könnten Flüchtlinge das Nötige einkaufen, aber kein Geld mehr in die Heimat schicken oder horten. Mit der Karte wird allerdings Neuland betreten, außerdem ist Baden-Württemberg nach der Landtagswahl zunächst einmal mit der Bildung einer neuen Regierung beschäftigt. Ob und wann die Karte eingeführt werden kann, ist daher völlig unklar.

Die hohen Bargeldzahlungen in Deutschland sind Fluchtursache Nummer eins. Das wird in vielen Ländern Europas so gesehen – nur nicht in Deutschland selbst. Es ist höchste Zeit, dass hierzulande Sachleistungen für Länder und Kommunen wieder zwingend vorgeschrieben werden. Für Armutszuwanderer aus sicheren Herkunftsländern müssen zudem die Leistungen eingeschränkt werden. Nur so lässt sich der enorme Migrationsdruck auf die EU-Außengrenzen senken.