Dem türkischen Präsidenten jubeln die Massen zu. Foto: AP

Von Tag zu Tag spielt der türkische Präsident virtuoser mit den Massen. Selbst die Opposition stellt sich Recep Tayyip Erdogan nicht in den Weg. Weder Im Inland noch im Ausland muss der türkische Präsident ernsthaft Widerstand befürchten, kommentiert Christian Gottschalk.

Ankara - Wenn der türkische Präsident mit Blick auf das sich vor ihm wogende, rote Fahnenmeer erklärt, er wolle in Sachen Todesstrafe auf den Willen des Volkes hören, dann ist das dreierlei. Es ist verlogen, es ist gefährlich, und es ist eine Steigerung dessen, was Recep Tayyip Erdogan schon lange behauptet. Denn Volkes Stimme zählt nur dann, wenn es mit den Gedanken Erdogans übereinstimmt. Der Präsident versteht sich auf das Spiel mit den Massen, und spielt es von Tag zu Tag intensiver. Von außen ist es erschreckend zu sehen, in was für ein gefährliches Fahrwasser die Türkei derzeit driftet. Und es verwundert, dass die Vertreter der politischen Konkurrenz größtenteils zusammen mit Erdogan auf der Bühne stehen. Wahrscheinlich würde die totale Opposition im Augenblick wenig Erfolg haben, wahrscheinlich wäre die Gefahr, bei einer Gegnerschaft hinweggefegt zu werden gewaltig. So aber bekommt Erdogan mehr Zustimmung, als er für seine Politik verdient.

Keine Aussicht auf Veränderung

Man kann das den türkischen Oppositionsparteien nicht vorwerfen, ohne sich an die eigene Nase zu fassen. Die EU hüllt sich weitgehend in Schweigen. Zu harsche Kritik an Erdogan, das wissen die Regierenden, könnte der mit einem Ende des Flüchtlingspaktes kontern. Ein erneuter Strom an Syrern, Afghanen und anderen Leidgeprüften würden viele Regierungen in Europa nur schwer überleben. Erdogan wird noch lange weiter machen, was er will. Im In- und Ausland hat er derzeit wenig zu befürchten.