Zufriedene Mienen auf der Brüsseler Geberkonferenz, auf der Deutschland weitere 1,7 Milliarden Euro für Afghanistan versprochen hat. Vorn in der Mitte EU-Ratspräsident Donald Tusk (links) und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Foto:  

1,7 Milliarden Euro will die Bundesregierung bis Ende 2020 für Afghanistan geben. Die Gefahr ist groß, dass das Geld die schwierige Lage in diesem Herkunftsland vieler Flüchtlinge zementiert, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart. - Sehr viele der geschätzt 25 Millionen Afghanen, sind sehr arm und brauchen dringend Hilfe. Aber nicht alle. Manche sind als Inhaber öffentlicher Ämter sehr reich geworden durch die mehr als 500 Milliarden Euro, die seit 2002 in dieses zentralasiatische Land geflossen sind, ohne am Los der Armen viel zu verbessern. Manche werden reich durch Anbau oder Handel von Opium, vor allem aber durch die Kontrolle über Straßen, Städte, Dörfer, durch die das weltgrößte Export-Volumen dieser Droge fließt. Oft sind es ein und dieselben Personen, die auf beide Weisen zu Reichtum und Macht kommen.

Viele der gut 500 Millionen EU-Bürger sind wohlhabend. Aber nicht alle. Nicht zuletzt daher hat die EU ein berechtigtes Interesse daran, nur Flüchtlinge aufzunehmen, die alle Voraussetzungen für Asyl erfüllen. Und die anderen zurückzuschicken.

Allein nach Deutschland sind im vergangenen Jahr rund 150 000 Afghanen gekommen. EU-weit wurde bereits 80 000 Afghanen Asyl verweigert, aber ihr Land nimmt sie nicht zurück. Insofern ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Bundesregierung weitere Finanzhilfe für Afghanistan an die Zusammenarbeit der Regierung bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber koppelt. Im Gegenteil.

Das Problem ist ein anderes, ein erhebliches. Deutsche Entwicklungshilfe in Afghanistan – im Regelfall über die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gesteuert und im Empfängerland von Hilfsorganisationen, Subunternehmern und örtlichen Behörden umgesetzt – unterlag seit 2002 nachweislich wenig Kontrollen, die diese Bezeichnung verdienen. Das hat dazu geführt, dass schwarze Schafe unbehelligt abkassiert und noch mehr Korruption nach Afghanistan eingeschleppt haben.

Deshalb beruhigt es noch wenig, wenn Entwicklungsminister Gerd Müller ankündigt, das Schicksal abgeschobener Afghanen solle durch Ausbildungsangebote und Existenzförderung gemildert werden. Ähnliches hat es jahrelang schon in der Vergangenheit gegeben, leider durch unseriöse Anbieter. Ebenso Hinweise auf diese Missstände an die politisch Verantwortlichen in Deutschland. Die aber haben damals lieber weggesehen. Offensichtlich wollte sich niemand durch Tatsachen das politisch so glänzend vermarktbare Bild kaputt machen lassen, Deutschland leiste viel Hilfe, weil es ja so viel Geld für Afghanistan ausgibt.

Es gehört eine gewisse Naivität dazu, davon auszugehen, das werde in Zukunft komplett anders. Ausgerechnet jetzt, da die Regierung ein besonders großes Interesse hat, sich das Wohlverhalten afghanischer Minister und Behörden zu erkaufen. Was besonders leicht geht, wenn eine ernsthafte Kontrolle der Verwendung von Hilfe weiterhin unterbleibt.

Zynisch könnte man sagen: Ist halt ein hoher Preis, den Deutschland für die Rückführung von Abzuschiebenden zahlt, aber so erzielt das Geld wenigstens eine gewünschte Wirkung. Doch wer so argumentiert, übersieht das Wesentliche. Weitere 1,7 Milliarden Euro bis 2020 quasi ungesteuert in Afghanistans Kriegs- und Drogenwirtschaft zu pumpen, das entfaltet vor allem eine Wirkung: Es zementiert genau die Verhältnisse, die immer mehr Afghanen auf die Flucht nach Europa treiben.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de